Das Versprechen Des Himmels
bösen Körpersäften und vom Einfluß der Gestirne schwatzte, bis Gilla ihn hinauswarf. Wedemir kam und brachte bei seinem nächsten Besuch einen Heiler der Garnison, einen Mann, der mehr zu wissen schien, was aber kaum ermutigender war. Er konnte ihnen nur sagen, daß er auf dem Schlachtfeld Schläge auf den Kopf beobachten konnte, die Blindheit verursachten. Das Sehvermögen stellte sich gewöhnlich nach ein paar Tagen wieder ein.
»Aber nicht immer?« fragte Wedemir. Lalo konnte sie in der Ecke flüstern hören. Sie ahnten nicht, wie sehr der Verlust eines Sinnes die anderen schärfte.
»Nicht immer.«, stimmte der Soldat zu. Er wußte nicht, warum Lalos Sehfähigkeit angegriffen worden war, und das einzige Behandlungsverfahren, das er empfehlen konnte, war Warten und Hoffen. »Kommst du, Wedemir?« Die Stimme des Heilers wurde leiser und wieder lauter, als ob sie zur Tür gegangen wären und sich dann umgewandt hätten.
»Ja - nur einen Augenblick. «
Lalo fühlte Wedemirs festen Griff.
»Papa, ich muß jetzt wieder zum Dienst. Ich bin aber bald zurück, um nach dir zu sehen!« Die Worte klangen ermunternd, aber Lalo entging das Zittern in der Stimme nicht, das Wedemir zu verbergen suchte.
»Zum Dienst, ha! Ich weiß es besser! Du willst nur Rhian wiedersehen!« ließ Latilla vernehmen. »Hast du gewußt, daß er ein Mädchen im Palast hat, Papa? Sie ist eine rankanische Dame und sehr hübsch. Ich habe sie gesehen, als ich letztens Vanda im Palast besuchen durfte.«
»Sie ist nicht mehr mein Mädchen - zumindest noch nicht«, fiel ihr Wedemir ins Wort. »Sie war einem Lehrling der Magiergilde versprochen, und sie sagt, daß sie noch gebunden ist. «
»Der Magiergilde?« staunte Gilla. »Aber diejenigen, die überlebten, sind jetzt über die ganze Stadt verteilt oder aber geflohen.«
»Meinst du, ich hätte nicht versucht, ihr das zu erklären?« fragte Wedemir. »Wenn der Junge noch am Leben wäre, hätte er ihr inzwischen gewiß Nachricht gegeben! Es ist nun schon ein Jahr her, daß die Machtkugeln zerbrochen wurden. Wenn er noch lebt, dann verdient er sie nicht!«
»Wedi hat ein Mädchen - Wedi hat ein Mädchen!« trällerte Latilla, bis ein Quietschen und Kichern Lalo verriet, daß ihr Bruder sie kitzelte, so wie er es früher getan hatte, als sie noch jünger waren. Lalo versuchte sich vorzustellen, was vor sich ging, aber er konnte sich nur daran erinnern wie sie als Kinder ausgesehen hatten, vor langer Zeit - als er noch sehen konnte.
Lalo fühlte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen.
Wedemir begleitete den Heiler zurück zur Garnison, und Vanda ging zu ihrer beysibischen Herrin in den Palast. Glisselrand sandte einen gehäkelten Schal, und Lalo war froh, daß er ihn nicht sehen konnte. Zu Hause nahm alles wieder seinen normalen Verlauf.
Lalo träumte von Gemälden, die zu malen er nie Zeit gefunden hatte, und er achtete kaum darauf, was sie ihm zu essen brachten, aber nun hörte er Alfi und Latilla klagen und erkannte, daß Gilla nicht mehr die leckeren Dinge kaufte, an die sich die Familie gewöhnt hatte. Sie fing wieder an, auf eine Art und Weise zu kochen, an die er sich allzugut erinnerte -Bohnen und was immer nahrhaft und billig war. Es war das Essen armer Leute. Und wieder spürte er die verräterischen Tränen unter seinen geschlossenen Lidern hervorquellen.
Sie glaubt nicht, daß ich wieder gesund werde...
Glaubte er es?
Während der ersten Woche war Gilla stets an seiner Seite gewesen und hatte ihn geduldig und aufopfernd umsorgt. Aber das änderte sich. Seine Frau sah immer noch darauf, daß er hatte, was er brauchte, aber nun saß Latilla an seiner Seite; Latilla schnitt ihm das Fleisch und gab ihm den Löffel in die Hand.
»Was tut deine Mutter?« fragte Lalo eines Morgens - er erriet die Tageszeit an der frischen Luft, die sich im Verlauf des Tages mit allen Gerüchen der Stadt mischen würde.
»Sie ist zum Palast gegangen und besucht Vanda«, antwortete seine Tochter. »Vanda sagt, bei den beysibischen Damen gäbe es viel zu nähen wegen der Hochzeit, weißt du, und Mutter kann wundervoll nähen.«
Lalo stöhnte.
»Papa - bist du in Ordnung? Es macht doch nichts, wenn Mama nicht hier ist - ich bin doch hier, Papa, und ich sorge für dich! Bitte, Papa, weine nicht!«
Er fühlte die sanfte Berührung ihrer Hände, als sie ihm über das Haar strich, und die Kühle, die ihm die Tränen vom Gesicht trocknete.
»Ich verlasse dich nicht!«
Lalo tastete nach ihr und fand ihre
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