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Das Versprechen Des Himmels

Titel: Das Versprechen Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Schulter, und Latilla drückte ihn an sich. Ihre Arme waren noch so dünn - die Arme eines Kindes, aber ihr Körper begann zu reifen. Sie war jetzt zwölf. Würde er ihre erblühte Schönheit je sehen?
    Gilla sucht sich Näharbeit, weil sie glaubt, daß ich nicht wieder gesund werde. Die kalte Tatsache erschreckte ihn. Hatte sie sich deswegen zurückgezogen? Lalo fragte sich, ob er sah, was Gilla selbst noch nicht bewußt war. Er glaubte zu verstehen. Er hatte sie zum letzten Mal im Stich gelassen. Gillas Verantwortung galt nun den Kindern. Obwohl Lalos Körper noch lebte, waren sein Leben - und ihre Ehe - am Ende.
    Ohne es zu wollen, hatte er Latillas Arm fester gepackt; sie wand sich, und er ließ sofort los. Das Mädchen richtete sich erleichtert auf und fing an, über den Vogel zu reden, der sich auf dem Fenstersims niedergelassen hatte. Lalo lehnte sich in die Kissen zurück, er hörte sie kaum. Würde es nun immer so sein?
    Er vermutete, daß Gilla ihr Schicksal in für sie wesensfremder Schweigsamkeit ertragen würde. Aber Lalo verbrauchte die Mittel, die für die Kinder gedacht waren. Und Latilla - ihr war jetzt nur wichtig, daß sie nun endlich ihren Vater ganz für sich hatte. Lalo begriff, daß sie diese Fürsorge für ihn einen guten Teil ihrer Jungend kosten würde.
    Vielleicht könnte er sich an die Ecke setzen und auf die Mildtätigkeit der Vorbeigehenden hoffen.
    In Freistatt? Das war, als wollte man Wärme bei einer Beynit suchen, Gnade bei einem Stiefsohn und mütterliche Liebe bei Roxane! Sein kurzes, bitteres Lachen ließ Latilla an seine Seite eilen.
    »Hilf mir, mich anzuziehen!« sagte er mit plötzlich erwachter Energie. »Ohne Bewegung werden meine Beine bald ebenso nutzlos sein wie meine Augen! Komm, Latilla - ich möchte, daß du mich durch die Stadt führst.«
    Einst, vor langer Zeit, hatte Lalo die Blinden als gesegnet betrachtet, weil sie den Schmutz der Stadt nicht sehen konnten. O Gott, damals erschien ihm das komisch. Nun, da er sich an Latillas Schulter festhielt, erkannte er, daß er es besser hätte wissen sollen. Als sie durch die Stadt gingen, verschafften ihm Erinnerung und Vorstellungskraft die Bilder, die zu den Geräuschen und den üblen Gerüchen um ihn paßten. Er stellte sich tausend schreckliche Dinge vor, wußte aber nie, welche davon seiner Phantasie entsprangen und welche Wirklichkeit waren.
    Es schien ihm wie im nächtlichen Labyrinth, wo in jeder dunklen Gasse Gefahr lauerte und nur der Schein einer Fackel die Furcht vertreiben konnte. Aber für Lalo führten nun alle Straßen durch Dunkelheit.
    Langsam gingen sie durch die widerstreitenden Verlockungen duftender Spezereien und Speisen im Basar, der Kakophonie der Händler, die ihre Ware anpriesen, und des Stimmengewirrs des nicht immer freundlich klingenden Feilschens. Lalos Nerven zuckten, als sie vorbeigingen an klagendem Muhen und dem üblen Gestank von Rinderdung aus den Pferchen der Abwinder.
    Sie gelangten zu den Landungsstegen. Möwen schrien. Lalo vernahm ihr wildes Flügelschlagen, als sie vorbeisausten und um Fischinnereien zankten. Als ihn Latilla hinausführte über die dumpf tönenden Planken, versuchte Lalo sich an das Sonnenlicht zu erinnern, das sich in den Wellen brach, die pure Schönheit der Vögel, deren Flügel einen lautlosen Bogen über den hellen Himmel beschrieben.
    In dem Theaterstück, dachte Lalo, verlor der König sein Augenlicht, weil er darauf bestand, zu viel zu sehen und Dinge, die besser verborgen blieben, ans Licht zu bringen. Werde ich bestraft für meine Visionen? Wurde ich geblendet, weil ich es wagte, das Antlitz der Götter zu schauen? fragte er sich. Aber Ils selbst hatte Lalo diese Gabe verliehen, und falls es den Göttern gefiel, ihn zu strafen, so hatten die vergangenen Jahre ihnen einige spektakuläre Gelegenheiten geboten, ihn zu schlagen.
    Geschah es vielleicht, weil ich der verlorenen Magie nachweinte und den Göttern nie für die Gabe dankte, die ich hatte? Nun habe ich nichts. Alle meine Visionen müssen gefangen bleiben hinter meinen Augen und ich in diesem nutzlosen Körper, als Last für die, dich ich liebe!
    »Tilla - Latilla! Bist du das? Wo warst du so lange?« rief die Stimme eines Mädchens.
    »Hallo, Karis.« Sie sprach nicht weiter, und Lalo wußte, daß sie dem Mädchen durch ein Zeichen seine Behinderung erklärt hatte, denn die Stimme der anderen klang bedeutend gedämpfter, als sie antwortete.
    Lalos Hand berührte das rauhe, verwitterte Holz eines

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