Das Versprechen des Opals
um sich selbst. Edwards Hut flog herunter, und der Helfer brachte sich eilig vor den tödlichen Hufen in Sicherheit.
»Macht das Außentor auf!«, schrie Edward. Irgendwie gelang es ihm, im Sattel zu bleiben, und er lockerte die Zügel.
Der Hengst begriff seine Chance, und mit einem gigantischen Satz stürmte er auf das offene Tor und die Freiheit zu.
Miriam schlug das Herz bis in den Hals, als die anderen Männer hinterhergaloppierten. Sie würden versuchen, den Hengst von seiner pfeilgeraden Bahn abzudrängen und ihn mit schnellen Richtungswechseln zu bremsen. Aber der Hengst war offensichtlich rasend vor Wut, und Miriam betete, dass Edward stark und erfahren genug sein möge, um diese wüste Jagd über die Ebene zu überstehen.
Sie stellte sich auf den obersten Querbalken, um zu verfolgen, was geschah, aber die Staubwolke, die von den Hufen aufgewirbelt wurde, nahm ihr die Sicht. Ihr Herz hämmerte wild, und mit trockenem Mund wartete sie auf das Ergebnis dieses Kampfes. Gern hätte sie ihr Pferd gesattelt, um mitzureiten, aber dazu war es zu spät.
Sie beschirmte die Augen mit einer Hand vor dem grellen Sonnenlicht und wartete ungeduldig, während sie Stoßgebete zum Himmel schickte, damit er unversehrt zurückkommenmöge. Als in der Ferne wieder Staubwolken aufstiegen, durchströmte sie eine Woge der Dankbarkeit. Dort hinten am Horizont erschien die unverkennbare Silhouette: Edward und der Hengst.
Der Palomino mochte erschöpft sein, aber sein Freiheitswille war immer noch ungebrochen. Er bockte und sprang und schlug mit den Hinterhufen aus, wann immer er spürte, dass der Mann auf seinem Rücken schwächer wurde. So kamen sie zurückgeritten, der eine so halsstarrig wie der andere.
Miriam vergaß, dass sie Kate mit dem Abendessen helfen musste. Verzaubert beobachtete sie, wie Mann und Hengst des Spiels schließlich müde wurden. Der Palomino ließ den Kopf hängen und stolperte um die Koppel herum, und Edward fiel fast aus dem Sattel; er stieg ab und führte das Pferd auf den Hof. Der Hengst senkte den Kopf über den Trog, um mit tiefen Zügen zu trinken, und es schien ihn nicht zu stören, dass Edward den Sattelgurt löste, den Sattel abnahm und ihn abrieb.
Miriam trat auf der anderen Seite des Zauns heran, und Edward ließ den Sattel fallen und kletterte hinüber. »Gut gemacht«, sagte sie leise. »Ich dachte schon, Sie schaffen’s nicht.«
Edward schob den Hut zurück und wischte sich den Staub und den Schweiß von der Stirn. Die blauen Augen funkelten trotz aller Anstrengungen dieses Tages immer noch humorvoll. »Das ist ein prächtiger Mustang, Ma’am«, sagte er und warf einen Blick zurück auf das Pferd. Dann schaute er Miriam an, und seine Stimme wurde sanfter und vertraulicher. »Aber ich schätze, wir sollten nicht zu hart mit ihm umspringen. Wollen ihm das Temperament ja nicht ganz und gar austreiben.«
Ihre Blicke trafen sich, und in dieser Sekunde des Schweigens geschah etwas Magisches: Wie der Palomino stand auch Miriam plötzlich ganz in Edwards Bann.
ZWÖLF
F iona lag neben ihrer Schwester und starrte an die Decke ihres alten Schlafzimmers. Es war ein merkwürdiges Gefühl, nach so vielen Jahren wieder das Bett mit ihr zu teilen, aber nachdem Ralph abgereist war, brauchte sie ja nicht auf der Veranda zu schlafen. »Ich kann nicht glauben, dass Miriam wirklich stirbt«, sagte sie leise. »Nichts wird mehr sein, wie es war, wenn sie nicht mehr da ist.«
»Ich weiß«, sagte Louise. »Das hier war immer ein zweites Zuhause für mich, aber …«
Fiona wusste, was sie sagen wollte. Bellbird war Mim, und ohne Mim konnte sie sich die Farm nicht vorstellen. Aber sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass dies womöglich der letzte Bellbird-Sommer für sie sein sollte.
»Mim ist geschickt, das muss man ihr lassen«, meinte sie schließlich. »Was sie da über ihren Prozess gesagt hat, gibt uns jedenfalls die Möglichkeit, auch über etwas anderes nachzudenken.« Ruhelos drehte sie den Kopf auf dem Kissen. Es war eine warme Nacht, und Louise hatte schon immer viel Wärme verströmt. »Glaubst du, wir werden die Dokumente finden?«
»Wer weiß?«, murmelte Louise. »Mim hat schon etwas gegen die Dempsters gehabt, und ich kann es ihr nachfühlen. Aber wir wissen nicht, wie viel von all dem wirklich wahr ist. Sie war damals noch ein Kind, und eigentlich hat sie nichts alsdie Geschichten, die Kate ihr erzählt hat.« Sie schwieg einen Augenblick. »Aber ich hoffe, es gibt diese Urkunden
Weitere Kostenlose Bücher