Das Versprechen des Opals
irgendwo. Es würde Mim so glücklich machen, wenn sie Bestätigung finden könnte.«
»Hm. Aber wir haben ’ne Menge Kram zu durchsuchen, und wenn Mim so krank ist, reicht die Zeit vielleicht nicht mehr.« Aber Fiona wollte nicht mehr an den Tod ihrer Großmutter denken. »Das war ziemlich tapfer von dir heute«, stellte sie fest. »Ralph war stinksauer.«
Louise fuhr sich über das kurz geschnittene Haar. »Ich wollte einfach hier bleiben«, sagte sie. »Daran ist nichts Tapferes.«
Fiona drehte den Kopf zu ihrer Schwester. Das fahle Mondlicht fiel auf das Gesicht ihrer Schwester und ließ es wächsern erscheinen. »Ich hab deine Augen gesehen, als dir klar wurde, was du da gesagt hattest«, erwiderte sie. »Warum hast du solche Angst vor ihm?« Ihr kam ein schrecklicher Gedanke, und sie stützte sich auf dem Ellenbogen auf. »Er schlägt dich doch nicht, oder?«, flüsterte sie.
»Nein. Er hat mir noch nie ein Haar gekrümmt.« Louise atmete bebend ein. »Das braucht er nicht«, flüsterte sie.
Fiona bemerkte, dass eine Träne von den langen Wimpern fiel und über die Wange hinunterlief. »Oh, Louise«, murmelte sie. »Was hat er dir angetan?«
Schlanke Finger wischten die Träne weg. »Nichts«, sagte sie mit fester Stimme. »Ralph ist ein guter Ehemann. Ich weiß nicht, warum ihr ihn alle für ein solches Ungeheuer haltet.«
Fiona drehte sich seufzend auf den Rücken. Einen Moment lang hatte sie gedacht, sie sei endlich zu Louise durchgedrungen. »Dieses Gespräch haben wir schon einmal geführt«, sagte sie leise.
»Sei nicht so, Fee!«, flehte Louise und berührte ihren Arm. »Es tut mir Leid, dass ich neulich so giftig geworden bin, aberdu hast mich unvorbereitet erwischt, und ich fühlte mich in die Defensive gedrängt.«
»Aber warum? Du brauchst dich – oder Ralph – doch nicht gegen mich zu verteidigen. Ich bin deine Schwester, und dass ich dich gern habe, steht außer Frage.« Sie drehte sich wieder zu Louise herum. »Verstehst du nicht, dass Mum und Dad und ich dir so zusetzen, weil uns etwas an dir liegt? Es gefällt mir nicht, dass du so mager und offensichtlich unglücklich bist. Warum verlässt du ihn nicht, Louise?«
Louise vergrub das Gesicht im Kopf kissen, und Tränen sickerten in den Stoff. »Er hat mir so viel gegeben. Hat mich zu dem gemacht, was ich bin, und mir so viel beigebracht. Ich habe Angst davor, ihn zu verlassen, Fee. Nicht vor dem, was er dann vielleicht tun würde. Aber ohne ihn wäre ich verloren.«
Fiona schwieg. Ihre Gedanken waren in Aufruhr. Louise wusste, dass sie in der Klemme saß, aber solange sie ihren eigenen Wert nicht erkannte, würde sie nicht den Mut auf bringen, diese zermürbende Ehe zu beenden. Auch wenn Ralph sie nicht geschlagen oder sonst wie körperlich misshandelt hatte – der stete Tropfen seiner Nörgelei und die Abhängigkeit, in die er sie in jeder Hinsicht gebracht hatte, das alles hatte eine machtvolle Wirkung auf Louise gehabt.
»Ich weiß, dass du das nicht verstehst«, flüsterte Louise. »Aber ich liebe ihn. Er ist mein Fels – der einzige Mensch, dem ich wirklich vertraue und der mich niemals im Stich lassen wird.« Sie schob die Hände unter den Kopf. »Er hat mal gesagt, wenn ich ihn je betrügen sollte, würde er mich umbringen – und dann sich selbst. Das ist echte Liebe, Fiona. Und die finde ich bestimmt kein zweites Mal.«
Fiona behielt ihre Meinung für sich. Ralph wusste offenbar genau, welche Register er zu ziehen hatte, aber sie bezweifelte, dass hinter dieser Drohung irgendetwas steckte. Er mochte eincleverer Manipulator sein, aber als Kandidat für Mord und Selbstmord kam er nicht in Frage. Im Grunde seines Wesens war er ein Feigling – wie alle Tyrannen. »Versprich mir etwas, Louise«, begann sie.
»Was?«, fragte Louise argwöhnisch.
»Versprich mir, dass du nachdenkst über das, was ich gesagt habe, solange du hier auf Bellbird bist. Hier hast du Gelegenheit zu einer Bestandsaufnahme. Eine Gelegenheit, außerhalb seines Schattens zu leben. Ich glaube, du wirst feststellen, dass das Leben ohne ihn so kompliziert nun auch wieder nicht ist – nicht, wenn die Familie hinter dir steht.«
Louise schniefte und rollte sich auf die Seite. »Gute Nacht«, murmelte sie.
Fiona lag hellwach im Mondlicht. Sie würde sich vorläufig zufrieden geben müssen, aber vielleicht würde Louise in den nächsten Tagen erkennen, welche Kraft in der echten und vorbehaltlosen Liebe der Familie lag, und vielleicht würde sie sich dann
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