Das Versprechen des Opals
Geschehen. Sie stand mit Chloe auf dem Arm am Geländer, und Lärm und Staub stiegen zu ihr hinauf.
Eine Blaskapelle spielte einen Marsch, Pferde zerrten stampfend und schnaubend am Zaumzeug, und ratternde Lastwagenspien übel riechende Abgaswolken aus. Männer riefen Abschiedsworte, Frauen standen in einsamem Jammer in der Menge, Kinder klammerten sich an ihre Röcke. Feuerwerkskörper machten die Pferde scheu, und Flaggen knatterten im Wind. Der Rennplatz war übersät von den bunten Zelten der Freiwilligen, die unter den Frauen Wolle und Stricknadeln verteilten, damit sie das Ihre für die tapferen Männer tun konnten, die sie in den Krieg schickten.
Ununterbrochen nahmen Offiziere Namen auf, erteilten Befehle, gaben Rationen aus und deuteten auf die Lastwagen, die die Soldaten aus der Stadt bringen würden. Es waren harte Burschen vom Lande, die besten Männer Australiens, sonnenverbrannt und stark, gewandte Reiter und unvergleichliche Schützen, und ihr Kameradschaftsgefühl war selbst in den dunkelsten Stunden nicht zu erschüttern.
Miriams Blick wanderte über die Reihen der Gesichter und suchte nach Edward. Aber von hier oben sah sie nur ein Meer von Khakibraun und ein wirbelndes Kaleidoskop aus bunten Hüten, Fahnen und Transparenten. Wenn Edward noch dort unten war und erraten hatte, dass sie auf der Veranda stand und sie sah, dann ließ er es nicht erkennen, denn kein einziges Gesicht wandte sich zu ihr herauf, kein vertrautes, geliebtes Gesicht suchte sie, um ein letztes Mal Lebewohl zu sagen.
Tränenblind ließ sie das Kinn auf Chloes Köpfchen sinken und beobachtete, wie die Sonne über den Himmel wanderte und ein Lastwagen nach dem andern in einer Staubwolke davonfuhr.
Nur zu bald waren alle verschwunden. Die Straße wurde still, die Leute kehrten nach Hause zurück. »Und das müssen wir auch tun«, sagte sie leise zu Chloe. »Wir müssen wieder nach Hause fahren und dafür sorgen, dass alles tadellos ist, wenn Daddy zurückkommt.«
FÜNFZEHN
J ake war nach Hause geeilt, hatte ein paar Sachen in die Tasche geworfen, sich den empörten Eric geschnappt und die Alarmanlage eingeschaltet. Dann war er die Nacht hindurch gefahren. Ein paar Mal hatte er angehalten, um Kaffee zu trinken, etwas zu essen und Eric die Erledigung seiner Bedürfnisse zu ermöglichen. Zwei Stunden lang hatte er sich auf einem Hotelparkplatz ausgeruht. Es wurde Abend, als die Bellbird-Farm in Sicht kam. Die ersterbende Sonne warf einen goldenen Dunst über Hügel und Täler und verlieh ihnen ein beinahe unwirkliches Aussehen.
Vor dem imposanten Tor hielt er kurz an, um den Anblick in sich aufzunehmen, und seine Müdigkeit verflog. Ein hübsches Anwesen und ein passender Name, dachte er, als er den einförmigen, makellosen Ruf des Glockenvogels hörte und die Pferde sah, die unter den Wilgas grasten. Hier herrschte eine heitere Gelassenheit, die man in der Stadt nicht fand – ein ruhiger Einklang mit dem Leben und der Abfolge der Jahreszeiten, der sich in den fast zwei Jahrhunderten der Besiedelung nicht geändert hatte. Diese Beständigkeit und die entspannte Atmosphäre erfüllten ihn mit Wohlgefühl und Kraft. Es war fast so, als komme er nach Hause.
»Sei nicht albern!«, brummte er, als er das Tor hinter sich geschlossen hatte und die lange Zufahrt hinauffuhr. »Du warsterst einmal hier – da kann man wohl kaum von Heimkehr sprechen.« Aber das Gefühl wollte nicht weichen, als er die violetten Wolken des Jacaranda und die scharlachroten Blüten der Flammenbäume sah. Das vertraute Bild hieß ihn willkommen, zog ihn an wie ein geliebter Freund. Er merkte, dass er übertrieben romantisch zu werden drohte, und rief seine Gedanken zur Ordnung, als er auf den Hof fuhr und vor der Veranda parkte.
Miriam erteilte Frank gerade Anweisungen. Von Kissen umgeben, saß sie in dem alten Korbsessel, blätterte lebhaft in Katalogen und Akten und deutete auf Dinge, die sie interessant fand.
Eric forderte lautstark, aussteigen zu dürfen, deshalb hörte er nicht, was sie sagte, aber er nutzte die Gelegenheit, um sie zu beobachten. Ihr dunkelgraues Haar war zurückgebürstet und umrahmte ihr Gesicht in weichen Wellen. Der violette Bluterguss auf dem zarten Wangenknochen unterstrich ihre Gebrechlichkeit. Ihr Geist jedoch war stark und ungebrochen, das las er in ihren Augen, und als er aus dem Wagen stieg, begrüßte sie ihn winkend und mit strahlendem Lächeln.
Eric sprang auf den Boden und spazierte davon. Er hatte offensichtlich
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