Das Versprechen des Opals
schrecklicher Gedanke, und sie klappte die Spieluhr zu. »Wo hast du ihn versteckt?«, fragte sie. »Ich meine, diesen Hinweis? Die Einbrecher haben ihn doch nicht etwa gefunden?«
Miriam schüttelte den Kopf. »So dumm bin ich nicht«, sagte sie gelassen. »Er ist in Sicherheit. Jake hat ihn.«
Fiona stellte die Spieldose behutsam wieder auf die Kommode. »Du hast großes Vertrauen zu ihm«, bemerkte sie. »Warum bist du so sicher, dass er dich nicht enttäuscht?«
»Weil ich seinen Vater und seinen Großvater kannte«, sagte Miriam.
»Wie denn das? Ich dachte, er ist ein Fremder?« Fiona ließ sich wieder auf das Bett fallen und zog die Füße unter sich. Das war eine interessante Neuigkeit, und sie wollte gern mehr wissen.
»Das war er zuerst auch«, sagte Miriam. »Aber als wir uns unterhielten und ich ein bisschen mehr über ihn erfahren hatte, wurde mir klar, warum er mich so sehr an jemanden erinnerte.« Sie lachte leise. »Ich dachte erst, es wäre dein Großvater, aber es war sein Großvater.« Sie lächelte bei der Erinnerung an den gut aussehenden, dunkeläugigen Mann, mit dem sie auf verschiedenen Festen getanzt hatte, ehe Edward in ihr Leben getreten war. »Er und ich waren oft gemeinsam beim Viehtriebund haben uns auf Scheunenbällen getroffen. Ich war auf seiner Hochzeit, er auf meiner, und dann war ich auf der Hochzeit seines Sohnes. Und ich erinnere mich noch, wie Jake als Baby mit all den anderen hier im großen Bett lag, als ich hier einmal ein Fest gegeben habe. Wie die Sardinen lagen sie da, und so prächtig, dass man sie am liebsten alle nacheinander auf den Arm nehmen wollte. Jake schrie; er war wütend, weil man ihn allein gelassen hatte, und er war so rot im Gesicht, dass man glaubte, er platzt.«
Fiona kicherte. »Ich glaube, daran sollte man ihn nicht erinnern.«
»Du warst damals zwei oder drei Jahre alt«, sagte Mim. »Und du hattest es übernommen, auf ihn Acht zu geben. Du hast ihn aufgenommen, und ich kam gerade noch rechtzeitig dazu, ehe du ihn fallen lassen konntest.«
Fiona bemühte sich, ihr Lachen zu verbergen. Sie konnte sich an dieses Ereignis nicht erinnern, aber es war interessant zu hören, dass sie einander schon begegnet waren – und dass sie tatsächlich zwei Jahre älter war als er.
Miriam sammelte ihre Gedanken. »Jakes Eltern waren regelmäßig Gäste bei den Scheunenbällen und Partys in der Gegend, und es war ein Schock, als wir hörten, dass die Mutter gestorben war. Sie war kaum über dreißig, als sie die drei Kinder mutterlos zurückließ. Sie waren alle noch keine neun Jahre alt.«
Fiona verspürte schmerzliches Mitleid mit dem kleinen Jungen, der in so zartem Alter seine Mutter verloren hatte. »Armer Jake!«, murmelte sie.
Miriam schien müde zu werden, denn sie rutschte tiefer in die Kissen. »Gib mir meine Tabletten, Schatz«, bat sie. »Ich glaube, ich möchte jetzt schlafen.«
Fiona hielt ihrer Großmutter ein Glas Wasser an die Lippen,damit sie die Medizin schluckte, schüttelte ihr die Kissen auf und deckte sie zu. »Mim«, sagte sie zögernd, »ich will nicht, dass du stirbst. Bitte sag, dass das alles ein schrecklicher Irrtum war und dass du noch eine Ewigkeit bei uns bleibst.«
Miriam nahm ihre Hand. »Ich würde in solchen Dingen nicht lügen, mein Liebling«, sagte sie sanft. »Lass uns die Zeit genießen, die wir noch haben, und sie nicht mit Tränen verschwenden.«
Fiona beugte sich über sie und küsste sie auf die zarte Wange, und Miriam ergriff überraschend kraftvoll ihren Arm. »Folge deinem Herzen, Liebling!«, flüsterte sie. »Es lügt auch nicht.«
Miriam ließ den Kopf auf das Kissen sinken. Sie war erschöpft, aber es hatte gut getan, mit Fiona zu sprechen und sich bestimmte Dinge von der Seele zu reden. Lächelnd dachte sie an das Gesicht, das sie gemacht hatte, als von Jake erzählt wurde – im Gegensatz zu ihrem Körper hatte ihr Instinkt sie noch nicht im Stich gelassen. Fiona und Jake würden sich nicht an ihre Kindheitsbegegnungen erinnern, aber sie war sicher, dass schon damals ein Funke übergesprungen war. Und jetzt, als Erwachsene, würden sie ihn vielleicht wiederentdecken.
Die Briefe lagen immer noch in der Schachtel neben Miriam, und als der Schlaf sie überwältigte, spürte sie Edwards Gegenwart und hörte seine Stimme, und sie wusste, dass er immer noch bei ihr war und darauf wartete, dass sie zu ihm kam.
Der Buggy war poliert, der Ledersitz glänzend gewachst worden. Das Pferd hatte man gestriegelt,
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