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Das Versprechen des Opals

Das Versprechen des Opals

Titel: Das Versprechen des Opals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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gewohnten Platz am Kamin und hatte Nähzeug auf dem Schoß, während sie mit dem Fuß die roh gezimmerte Holzwiege schaukelte, in der das drei Monate alte Baby schlief. Ihre Augen waren dunkel vor Mattigkeit, und Altersfalten durchzogen ihr schmales Gesicht, das nicht vermuten ließ, dass sie erst dreiunddreißig Jahre alt war.
    Maureen biss sich auf die Lippe. Dad war nirgends zu sehen. Vielleicht konnte sie sich Mam anvertrauen?
    Bridie blickte von ihrer Handarbeit auf, als kalter Wind und Regen mit ihrer ältesten Tochter in die Stube drangen. Sie schrie auf. »Heilige Mutter Gottes! Was um alles in der Welt …?« Das Nähzeug fiel zu Boden, und das Baby in der Wiege war vergessen, als sie von ihrem Schaukelstuhl aufsprang.
    Maureen schloss die Tür und lief zum Feuer. Sie streckte die Hände der Wärme entgegen, und sie merkte, dass sie nicht aufhören konnte zu zittern. Aber es war nicht nur die Kälte, die sie zittern ließ – es war der Gedanke an Dads Heimkehr. »Mam, es tut mir Leid«, brachte sie stockend hervor. »Es tut mir so Leid. Aber ich wusste nicht, wohin ich sonst gehen sollte.«
    Bridie streckte die Hand aus und schlug die Kapuze zurück. Dann presste sie die bebenden Hände an den Mund und riss entsetzt die Augen auf. »Was hast du getan?«, flüsterte sie. »Lieber Gott im Himmel, was hast du getan?«
    »Das ist nicht so wichtig, Mam.« Hastig holte Maureen den Zuber, der an der Tür hing, und füllte ihn mit heißem Wasser aus dem Kessel über dem Herd. »Ich muss sauber sein, bevor Dad nach Hause kommt. Wenn er mich so sieht, wird er …«
    Angst blitzte in Bridies Augen auf, und schluchzend bekreuzigte sie sich. »Schnell, schnell, er wird bald wieder hier sein. Er ist nur auf ein Bier zu Donovan’s gegangen.«
    Mit steifen Fingern legte Maureen den Mantel ab.
    Bridies Augen wurden schmal, und sie bekreuzigte sich noch einmal. »Von wem ist es?«, fauchte sie mit eisiger Verachtung.
    Maureen fing an, die Federn aus der Schmiere zu zupfen, die ihren Körper bedeckte. In ihrer Hast war sie ungeschickt, und immer wieder huschte ihr Blick zur Tür. »Von Henry«, gestand sie.
    »Von Hen…? Der Herr sei uns gnädig! Weiß er es?« Bridies Stimme klang schneidend, und in ihren Augen funkelte so etwas wie Abscheu.
    »Noch nicht. Ich wollte es ihm heute Abend sagen.« Maureen warf die Federn ins Feuer und sah zu, wie die Flammen sie verschlangen. »Aber er konnte nur einen Augenblick bleiben, und –«
    Die Ohrfeige war ebenso unerwartet wie heftig. Maureens Wange glühte, und ihr Kopf füllte sich mit dunklen Wolken. »Du dummes Luder!«, fuhr Bridie sie an. Sie packte Maureen bei den Armen und schüttelte sie, und ihre Stimme wurde lauter. »Du bist nicht besser als eine Hure! Ein dummes kleines Flittchen, das von ihm und seinesgleichen benutzt und weggeworfenwird. Schöne Worte und feines Benehmen, das gefällt dir vielleicht, aber ihm liegt nichts an dir – du bist ein Spielzeug, mit dem er sich die Zeit vertreibt, wenn er nichts Besseres zu tun hat.«
    Dann kamen ihr die Tränen, und sie schlang sich die Arme um die magere Taille. »Dein Dad wird dich umbringen«, flüsterte sie. »Er bringt uns beide um, wenn er es erfährt. Du musst fort. Auf der Stelle. Bevor er zurückkommt.«
    Maureen warf einen bangen Blick zur Tür, bevor sie sich in das heiße Wasser sinken ließ und anfing, sich den Schmutz vom Leib zu schrubben. »So kann ich nicht gehen«, stieß sie hervor und biss die Zähne zusammen. Die Kombination aus Teer, Kratzwunden, Blutergüssen und Seifenlauge war fast unerträglich – und so kurz nach dem Überfall war die Reaktion ihrer Mutter niederschmetternd.
    »Was ist denn, Mam?« Die schlaftrunkene Stimme kam aus dem Alkoven, und dann erschienen die drei kleinen Mädchen hinter dem Vorhang.
    »Ab ins Bett«, befahl Bridie, und ihr scharfer Ton duldete keinen Widerspruch. Sie warf bange Blicke auf Uhr und Hintertür, denn sie rechnete damit, dass ihr Mann jeden Augenblick zurückkehren und sie ertappen würde, während sie die letzten Federn in eine alte Zeitung wickelte und ins Feuer warf. Sie begann vor sich hin zu murmeln – die Worte des Rosenkranzgebets strömten unverständlich über ihre Lippen –, griff nach der Wurzelbürste und machte sich daran, Maureens Rücken zu reinigen.
    »Sei still!«, zischte sie, als Maureen protestierend aufschrie. »Du bist ganz allein schuld. Wenn ich daran denke, wie oft ich dir eingeschärft habe, dich rein zu halten. Der Himmel weiß,

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