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Das Versprechen des Opals

Das Versprechen des Opals

Titel: Das Versprechen des Opals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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einmal.
    Stille empfing ihn, und das Gefühl der Verlassenheit wog plötzlich schwer.
    Henry fuhr sich durch die Haare. Sonnenlicht fiel durch die Löcher im Strohdach und tüpfelte den Boden. Er zwängte sichdurch die Tür hinaus, stapfte um die Hütte herum und suchte nach irgendeinem Anzeichen dafür, dass sie schon hier gewesen war. Aber er fand nichts.
    Er packte die Zügel, stieg wieder in den Sattel und lenkte das Pferd in die Richtung, in der das Dorf lag. Die Angst überwog seine Vernunft. Er musste Maureen finden, musste sich vergewissern, dass sie unversehrt war. Denn »Ärger im Dorf« konnte nur eins bedeuten: Man hatte sie entdeckt. Und er wusste, was für eine schreckliche Strafe Maureen erleiden musste.
    Nach dem Regen wirkte das Dorf wie frisch gewaschen, und das Kopfsteinpflaster glitzerte im Sonnenschein des frühen Sonntagmorgens. Eine einzelne Glocke klang von dem kleinen Kirchturm oberhalb der Bucht herüber, und Möwen schwebten und kreisten über der trügerisch ruhigen See.
    Henry zügelte sein Pferd und ritt im Trab die einzige Straße entlang zum Cottage der O’Hallorans. Sein Herz schlug wie rasend; Männer spuckten vor die Hufe seines Pferdes, und Frauen zogen ihre Kinder in die Haustüren, wenn er vorüberritt. Anspannung lag in der Luft. Henry blickte hoch erhobenen Hauptes starr geradeaus, entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, wie unbehaglich ihm zumute war, wie schutzlos er sich fühlte. Er spürte die Blicke, die ihm folgten und sich in seinen Rücken bohrten, während er die scheinbar endlose Straße entlang auf das Häuschen am Kai zuritt.
    Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn, und die ledernen Zügel waren glitschig in seinen Händen, als er schließlich vor dem kleinen Haus Halt machte und vom Pferd stieg. Ohne nach rechts oder links zu schauen, ging er den schmalen Pfad hinauf zur Tür und klopfte an. Dann blieb er in aufrechter, beinahe militärischer Haltung stehen und wartete. Die Knie drohten ihm einzuknicken, und Schweiß rann ihm über den Rücken.
    »Diese Hure werden Sie nicht wiedersehen«, schrie eine Frau in der gaffenden Menge.
    Henry drehte sich zu ihr um und ballte die Fäuste. »Wo ist sie?«, fragte er. Seine Stimme klang selbst in den eigenen Ohren dünn und jugendlich – und ausnahmsweise wünschte er sich, er hätte die gebieterische Haltung seines Vaters.
    Regan Donovan drängte sich nach vorn. Ihr rotes Haar leuchtete feurig im Sonnenlicht. Herausfordernd baute sie sich vor ihm auf und stemmte die Arme in die Seiten. »Sie ist weg«, erklärte sie unverblümt.
    »Wo ist sie?« Henrys Ungeduld wuchs, seine Angst jedoch ebenfalls.
    Grüne Augen musterten ihn – von den glänzenden Lederstiefeln bis hinauf zu seinen windzerzausten Haaren, die dunkel waren vom Schweiß. Regan fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und warf ihr Haar zurück. »So weit weg von dir, wie es nur geht«, fauchte sie. »Geh zurück in dein feines Haus, Henry! Dich wollen wir hier auch nicht haben.« Damit wandte sie sich ab, und mit schrillem Gelächter hakte sie sich bei zwei anderen Mädchen unter und ging davon.
    Henry schlug alle Vorsicht in den Wind und lief ihr nach. Ein unbehagliches Gemurmel erhob sich unter den Zuschauern, als er sie beim Arm packte und grob zu sich zerrte. »Wo ist sie hin?«, fuhr er sie an. »Was habt ihr mit ihr gemacht, ihr Biester?«
    Ihr Blick war kalt, aber es lag keine Frechheit darin – nur Hass. Sie riss sich los und strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Von mir wirst du das nie erfahren«, zischte sie und schaute die anderen an. »Von niemandem hier«, ergänzte sie triumphierend.
    Am liebsten hätte Henry sie geohrfeigt. Wie leicht hätte er sie bei der Gurgel packen und schütteln können, aber trotzaller Wut und Enttäuschung wusste er, dass ihm das nichts einbringen würde. Er machte auf dem Absatz kehrt, ging zu seinem Pferd zurück und sprang in den Sattel. »Du wirst diesen Tag noch bereuen, Regan Donovan!«, rief er und riss die Zügel herum, dass das Pferd tänzelte.
    »Nicht so sehr wie du, wenn dein Dad erfährt, was du mit Maureen getrieben hast«, antwortete eine laute Stimme unter den Zuschauern.
    Beinahe blind vor Wut, gab Henry seinem Pferd die Sporen und galoppierte in die Menge hinein, die sich vor ihm teilte. Es kümmerte ihn nicht mehr, ob er jemanden verletzte. Zum ersten Mal im Leben teilte er den Hass seines Vaters auf die Iren.

ZWEI

    M iriam kehrte widerwillig in die Gegenwart zurück. Als sie auf die Uhr

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