Das Versprechen des Opals
Kopfes lag etwas Triumphierendes.
»Eine Diamantbrosche ist verschwunden.« Miss Prudences Stimme übertönte das Getuschel der Mädchen. »Ihr werdet alle hier bleiben, bis eine gründliche Suche erfolgt ist.«
»Das muss Bridgets Brosche sein«, flüsterte Amy. »Ich hab sie damit gesehen.« Sie rümpfte die Nase. »Wie dumm von ihr, so was Wertvolles mit in die Schule zu bringen. Jedes der Hausmädchen kann sie genommen haben. Ich weiß nicht, warum wir hier den halben Nachmittag rumstehen müssen, wenn eine kurze Durchsuchung der Küche das Ding wahrscheinlich sofort zutage fördern würde.«
Miriam verspürte ein flaues Gefühl im Magen. Bridie beobachtete sie noch immer. »Um welche Zeit war das?«, fragte sie Amy leise.
Amy betrachtete sich in einem kleinen Handspiegel und legte eine Hand an ihre blonden Locken. »Nach dem Lunch«, sagte sie. »Als wir die Tanzschuhe anzogen. Warum?«
Miriam schüttelte den Kopf. »Nur so«, murmelte sie.
Eine gute halbe Stunde später erschienen die beiden alten Jungfern wieder in der Diele. Die meisten Mädchen hatten sich inzwischen auf den Fensterbänken niedergelassen und lasen, und einige standen auch in kleinen Gruppen in den Ecken und plauderten. »Da Sie sich ohne Zweifel noch auf den heutigen Gouverneursball vorbereiten möchten, dürfen Sie heute vor derZeit nach Hause gehen«, erklärte Miss Prudence. »Die Brosche ist gefunden.«
Mit einem erleichterten Seufzer klappte Miriam ihr Buch zu. Amy war schon unterwegs zur Tür – wie immer hatte sie es eilig, nach Hause zu kommen. Miriam kannte kein anderes Mädchen, das so lange brauchte, um sich auf irgendetwas vorzubereiten.
Lächelnd sammelte sie ihre Sachen ein. Der Ball würde ihr erster formeller Auftritt in der Öffentlichkeit sein, und es versprach lustig zu werden, denn Kate würde sie endlich mit George Armitage bekannt machen, der sie begleiten sollte. George, ein Witwer mit dreißigtausend Hektar Land im nördlichen New South Wales, hatte Kate in den letzten Monaten zu mehreren Gesellschaften begleitet, und Miriam hatte wohl bemerkt, dass Kates Augen wieder funkelten.
»Miss Beecham, würden Sie bitte mit mir kommen?«
Miriam wurde blass, als sie das säuerliche Gesicht sah. »Ja, natürlich«, stammelte sie. »Was ist passiert? Ist etwas mit Kate?«
Miss Prudence antwortete nicht; sie ging voraus, und Miss Faith folgte ihnen. Sie führten Miriam in ihr Arbeitszimmer und schlossen die Tür. »Welche Erklärung haben Sie dafür?«, fragte Miss Prudence und legte die Brosche auf den Schreibtisch.
»Gar keine«, sagte Miriam wahrheitsgemäß. »Ich habe sie noch nie gesehen.«
»Ich bitte Sie, Miss Beecham!« Hektische Flecken waren auf die hageren Wangen getreten, aber ihr Blick blieb eisig. »Man hat sie zwischen Ihren Notenblättern gefunden.« Miss Prudence saß aufrecht in ihrem Ledersessel und hatte die Finger vor sich verschränkt.
Miriam wurde rot vor Empörung. »Aber ich habe sie da nicht hingetan«, gab sie zurück.
»Sie werden von der Schule verwiesen«, erklärte Miss Prudence. »Ihre … Tante ist bereits unterwegs, um Sie abzuholen.«
»Ich hab das verdammte Ding nicht gestohlen«, schrie Miriam. Die jahrelange Unterweisung in wohlgesetzter Rede und höflichen Umgangsformen war vergessen, denn nun musste sie um die Reinheit ihres Namens kämpfen. »Amy hat Bridie vor der Tanzstunde damit gesehen, und ich war heute nicht mal in der Nähe des Musikzimmers.«
»Sie schweigen jetzt!« Die grauen Augen blickten sie durchbohrend an, und der harte Mund war ein dünner Strich über dem spitzen Kinn. »Miss Dempster war sehr bestürzt, als sie beim Lunch feststellte, dass die Brosche verschwunden war. Sie ist zu mir gekommen und hat mich angefleht, den Namen der Täterin nicht bekannt zu geben. Sie wusste, was für einen Skandal das hervorbringen und wie sehr es den Ruf der Schule beeinträchtigen würde. Sie müssen sich bei ihr dafür bedanken, dass ich nicht die Polizei gerufen habe.«
»Die P…?« Miriam ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen. »Ich kann nicht fassen, dass Sie mich für eine Diebin halten«, brachte sie atemlos hervor. »Was soll ich mit ihrer Brosche? Kate hat einen ganzen Panzerschrank voller Diamanten und Edelsteine.«
»Ja, was?«, rief eine zornige Stimme. »Miriam, nimm dich zusammen!«
Da stürmte Kate herein. Sie schleifte eine tränenüberströmte Amy am Arm hinter sich her. Sie nahm die Brosche vom Schreibtisch, drehte sie im Licht und
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