Das Versteck der Anakonda
Joe Ruhm und Ehre erhoffte.
Nur ganz allmählich begann Paul wieder normal zu atmen und klar zu denken. Dass er für die ausgewachsene Riesenschlange ein
gutes Abendbrot abgeben würde, war ihm klar. Aber dazu musste sieihn erst einmal erwischen. Und so schnell war keine Anakonda, schließlich lagen gute zehn Meter Wasser und schlammiges Ufer
zwischen ihnen.
Während Paul vorsichtshalber noch ein paar Schritte zurückwich, kam auch in das Tier Bewegung. Es schwamm mit eleganten Windungen
auf die Akazie zu und zeigte sich dabei in seiner ganzen majestätischen Länge.
›Verflixt noch mal. Wenn das keine Roosevelt-Preis-Schlange ist!‹
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Gefangen auf der Insel
Als die Anakonda den Baum erreicht hatte, sah Paul, wie sie zwischen dem freigespülten Wurzelwerk abtauchte und verschwand.
Auch fünf Minuten später war weit und breit nichts von ihr zu sehen.
›Es muss einen unterirdischen Platz geben, an den sie sich zurückziehen kann!‹, dachte Paul und wollte gerade den Baum noch
einmal aus der Nähe anschauen, als ihn ein gellender Pfiff aufschreckte.
›Juanito. Er hat ihn gefunden!‹
Sofort rannte Paul los. Er nahm den gleichen Weg, den er gekommen war.
›Hoffentlich kann ich erkennen, wo Juanito gegangen ist‹, dachte er, kurz bevor er den Kreuzungspunkt der beiden Spuren erreicht
hatte. Doch seine Sorge war unbegründet. Denn die unter Juanitos Füßen heruntergedrückten Blätter und Zweige markierten den
Weg, wie Positionslampen ein nächtliches Flugbahnrollfeld.
Als Paul ganz in der Nähe zum zweiten Mal den Pfiff seines Freundes hörte, begann er zu laufen. Dabeisteuerte er unwillkürlich eine Bambusgruppe an, die wie ein natürliches Zelt aus dem flacheren Bewuchs herausragte.
Noch einmal pfiff Juanito, allerdings brach der schrille Ton ab und ging in eine Art Stöhnen über, das Paul erschreckte.
»Ich komme! Hast du Joe gefunden?«
»Jaahhh …« Wieder das Stöhnen in der Stimme.
›Er hat Schmerzen‹, dachte Paul und bekam es jetzt mit der Angst zu tun. Vorsichtig, die Hand fest um das Paddel gepresst,
näherte er sich den Sträuchern, jederzeit bereit, sich zu verteidigen.
»Ich bin hier!«
Juanitos gequälte Stimme war jetzt zum Greifen nah. Paul machte einen letzten Schritt auf die Sträucher zu und bog vorsichtig
einen der elastischen Zweige zur Seite. Da waren sie. Juanito, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das rechte Bein hielt,
und ein zusammengerolltes Bündel, das Paul nur an den Schuhen als Joe identifizieren konnte.
»Mensch Juanito, was ist mit deinem Bein?«
Der Indianerjunge zeigte auf einen neben ihm liegenden Holzprügel.
»Es war Joe. Er hat mich kommen gehört und wohl geglaubt, ich wäre ein Jaguar oder so. Irgendwasstimmt nicht mit ihm, er scheint Fieber zu haben oder einen Sonnenstich oder beides. Außerdem ist seine Stirn blutverkrustet.
Jedenfalls – als ich um die Ecke gebogen bin, hat er mich mit dem Knüppel empfangen und mir auf das Schienbein geschlagen.
Es tut grauenvoll weh!«
Paul sah das dick angeschwollene, blaurot verfärbte Bein – seine Gedanken überschlugen sich.
»Was sollen wir machen?«
»Du musst zurück zum Kanu. Joe braucht etwas zu trinken. Am besten paddelst du bis hierher. Man kann dort vorne unter dem
schräg stehenden Baum ans Ufer. Beeil dich!«
Pauls Willenskraft kehrte zurück. In leichtem Trab setzte er sich in Bewegung, eine Viertelstunde und er würde bei ihrem Boot
sein. Dachte er jedenfalls.
Doch als er keuchend oberhalb der kleinen Landebucht angekommen war und Ausschau nach Juanitos Kanu hielt, war der Platz leer.
War das Boot weg? Das konnte einfach nicht sein. Er hatte genau gesehen, dass Juanito es mit einem starken Strick fest an
eine ins Wasser ragende Wurzel gebunden hatte. Hatte er vielleicht einfach nur an der falschen Stelle gesucht? Nein, dort
unten war die Wurzel und daran baumelte noch ein kurzes Ende des Haltestricks.
Paul jagte in großen Sprüngen den Uferhang hinunter und wusste, was geschehen war, noch bevor er die Stelle erreicht hatte.
Irgendjemand hatte das Seil mit einer Machete durchtrennt und das Kanu losgemacht.
›Wolf!‹, dachte er und biss sich verzweifelt in die Knöchel. ›Er muss unser Kanu zwischen den Felsen gesehen haben und ist
uns dann heimlich gefolgt.‹
Er hätte schreien können. Alles hatten sie im Boot gelassen. Wasser und Proviant, Feuerzeuge und vor allem ihre Waffen. Nun
hockten sie auf einer Insel fest. Zwei
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