Das Versteck
hinter die Büsche geduckt. Er blieb eine Weile an der Schiebetür stehen und spähte in den Garten, lauerte, ob einer der dunklen Schatten sich bewegte.
Es konnte gut sein, daß er völlig falsch lag. Vielleicht war der Kerl gar nicht hinter ihnen her. Dann würde Hatch nach Ablauf von zwei oder drei Monaten angespannten Wartens tatsächlich reif für die Heilanstalt sein. Er wünschte beinahe, der Kerl würde bald kommen, damit er die Sache hinter sich hatte.
Er ging zur Ecke mit dem Eßtisch und überprüfte die Fenster. Sie waren ebenfalls verriegelt.
Regina saß in ihrem Zimmer und legte die Sachen, die sie für ihre Schularbeiten benötigte, auf ihrem Schreibtisch zurecht. Die Bücher auf die eine Seite der Schreibunterlage, Kugelschreiber und Stifte auf die andere und ihr Notizbuch in die Mitte. Alles hatte seinen Platz und seine Ordnung.
Während sie damit beschäftigt war, begann sie wieder, über die Harrisons zu grübeln. Irgend etwas stimmte nicht mit den beiden.
Nicht etwa in dem Sinne, daß sie Diebe waren, feindliche Spione, Geldfälscher, Mörder oder kinderfressende Kannibalen. Sie hatte einmal eine Idee für eine Geschichte gehabt: Wo diese Nervensäge von einem Kind von Leuten adoptiert wird, die tatsächlich Kannibalen sind. Im Keller findet sie einen Haufen Kinderknochen und in der Küche eine Sammlung Rezepte wie MÄDCHEN-KEBAB und MÄDCHEN-EINTOPF. Bei den Zutaten heißt es dann zum Beispiel: »ein zartes junges Mädchen, ungesalzen; eine Zwiebel, feingehackt; ein Pfund Mohren, gewürfelt …« In der Geschichte geht das Mädchen zur Polizei, doch man glaubt ihr nicht, weil sie für ihre lebhafte Phantasie bekannt ist. Nun ja, das eine war Fiktion, und hier ging es um die Realität, und die Harrisons schienen sich mit Pizza, Spaghetti und Hamburgern zu begnügen.
Regina knipste die Schreibtischlampe an.
Obwohl die Harrisons selbst ganz in Ordnung zu sein schienen, hatten sie bestimmt Probleme, weil sie krampfhaft versuchten, ihre Nervosität zu überspielen. Vielleicht konnten sie die Raten für das Haus nicht mehr bezahlen, die Bank würde ihnen das Haus wegnehmen, und sie müßten alle drei in ihr altes Zimmer im Waisenhaus ziehen. Oder sie hatten herausgefunden, daß von Mrs. Harrison eine Schwester existierte, eine böse Zwillingsschwester, wie das in den Fernsehserien immer passierte. Vielleicht schuldeten die Harrisons auch der Mafia Geld, und weil sie nicht zahlen konnten, würden sie ihnen die Beine brechen.
Regina nahm ein Wörterbuch aus dem Bücherregal und legte es auf den Schreibtisch.
Wenn die Harrisons wirklich ein schlimmes Problem hatten, dann wenigstens mit der Mafia, damit konnte Regina umgehen. Die Beine der Harrisons würden allmählich heilen, und sie hätten eine wichtige Lektion gelernt, daß man sich nämlich nicht mit Kredithaien einließ. In der Zwischenzeit würde sie sich um sie kümmern, darauf achten, daß sie regelmäßig ihre Arznei schluckten, ab und zu Fieber messen, ihnen Eiscreme servieren mit kleinen Kekstierchen verziert, notfalls sogar ihre Bettschüsseln leeren (Schreck laß nach!). Sie kannte sich in Krankenpflege aus, schließlich war sie selbst in den vergangenen Jahren so oft darauf angewiesen gewesen. (Lieber Gott, wenn ich das große Problem bin, könntest Du nicht ein kleines Wunder geschehen lassen und an meiner Stelle die Mafia nehmen, damit sie mich behalten und wir glücklich miteinander werden? Ich wäre sogar bereit, mir dafür auch die Beine brechen zu lassen. Sprich doch mal mit den Jungs von der Mafia, mal sehen, was sie dazu sagen.) Nachdem alles für ihre Schularbeiten bereitlag, brauchte sie sich nur noch bequemer anzuziehen. Sie hatte zwar beim Nachhausekommen gleich ihre Schuluniform mit grauen Cordhosen und einem langärmligen grünen Sweatshirt vertauscht, fand aber, daß es sich in Pyjama und Bademantel noch besser lernen ließ. Außerdem juckte es dauernd unter ihrer Beinschiene, und sie wollte sie für heute ablegen.
Sie schob die verspiegelte Tür des Wandschranks zur Seite und sah sich einem schwarzgekleideten Mann mit Sonnenbrille gegenüber, der in ihrem Schrank kauerte.
3
Bei seinem x-ten Rundgang durch das Haus beschloß Hatch, überall die Deckenlichter und die Lampen zu löschen. Wenn nur die Garten- und die Außenbeleuchtung hell brannten, würde er von drinnen sofort erkennen können, ob draußen jemand herumschlich, ohne selber gesehen zu werden.
Er beendete seine Runde in dem unbeleuchteten
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