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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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hindurch konnte er die untere Diele erkennen. Nirgendwo schien Licht zu brennen.
    Wo mochte der Mann sein? Die hohen Türen zu dem unbeleuchteten Schlafzimmer standen offen. Aus dem Atelier der Frau drangen hin und wieder leise Geräusche, wahrscheinlich arbeitete sie gerade an einem Bild. Wäre ihr Mann bei ihr, hätten sie bestimmt ein paar Worte gewechselt, zumindest in der Zeit, als Vassago durch den Gang schlich.
    Hoffentlich war der Mann fortgegangen, um etwas zu erledigen. Vassago spürte keinerlei Verlangen, ihn auch umzubringen. Zudem wäre jede Konfrontation gefährlich.
    Er zog einen Totschläger aus geschmeidigem Leder, mit Schrotkugeln gefüllt, aus der Jackentasche. Er stammte noch von Morton Redlow und sah ausgesprochen wirkungsvoll aus. Fühlte sich gut an. In dem perlgrauen Honda zwei Straßen weiter war eine Pistole unter dem Fahrersitz versteckt. Vassago wünschte fast, er hätte sie mitgebracht. Erst heute morgen, kurz vor Tagesanbruch, hatte er sie dem Antiquitätenhändler Robert Loffman in Laguna Beach entwendet. Aber er hegte sowieso nicht die Absicht, auf die Frau oder das Mädchen zu schießen. Selbst wenn er sie nur anschoß und verwundete, könnten sie verblutet sein, ehe er sie zu seinem geheimen Museum des Todes, zu seinem Opferaltar, geschafft hatte. Wollte er jedoch den Mann mit seiner Pistole erledigen, durfte er nur einen Schuß riskieren, höchstens zwei. Die Nachbarn würden die Schüsse hören und orten, und in so einer friedlichen Gegend würde es sofort von Polizei nur so wimmeln.
    Der Totschläger war besser. Vassago wog ihn in der rechten Hand, genoß das Gefühl der Waffe.
    Behende und leise wie eine Katze drückte er sich an den Türpfosten. Neigte den Kopf. Spähte in das Atelier.
    Sie saß auf ihrem Hocker mit dem Rücken zur Tür. Er erkannte sie sogleich, selbst von hinten. Sein Puls raste, wie vor wenigen Minuten, als das Mädchen um sich schlug und schließlich ohnmächtig wurde. Lindsey saß vor ihrem Zeichenbrett, die Zeichenkohle in der Rechten. Emsig, emsig, emsig zischte die Kohle, als sie wie eine Schlange über das Blatt glitt.
     
    Wie sehr Lindsey sich auch anstrengte, sich auf das jungfräuliche Zeichenpapier zu konzentrieren, ihr Blick wanderte doch immer wieder zum Fenster. Ihre kreative Sperre löste sich erst, als sie das Fenster tatsächlich zu zeichnen begann. Der vorhanglose Rahmen. Dunkelheit hinter dem Fensterglas. Ihr Gesicht wie das eines wandelnden Geistes. Als sie auch noch das Spinnennetz in der oberen rechten Ecke skizzierte, nahm das Konzept Gestalt an, und sie spürte, wie die Erregung sie packte. Sie würde das Bild Das Netz von Leben und Tod nennen und eine Reihe surrealer Symbole verwenden, um das Sujet in jede Faser der Leinwand zu bannen. Nein, nicht der Leinwand, Hartfaser. Genauer gesagt: Papier im Augenblick, ein Entwurf nur, aber gut genug, ihn auszuarbeiten.
    Lindsey rückte das Zeichenbrett etwas höher. Jetzt brauchte sie nur aufzublicken und konnte über den Rand auf das Fenster sehen, ohne dauernd den Kopf heben und senken zu müssen.
    Es bedurfte noch anderer Komponenten, um dem Bild Tiefe und Wirkung zu geben, ihr Gesicht, das Fenster und das Spinnennetz reichten nicht. Während sie weiterzeichnete, erwog und verwarf sie eine ganze Reihe von Möglichkeiten.
    Da sah sie wie von Zauberhand in der Spiegelung des Fensterglases eine Gestalt hinter sich auftauchen: das Gesicht aus Hatchs Alpträumen. Bleich. Der schwarze Haarschopf. Die Sonnenbrille.
    Einen Augenblick lang glaubte Lindsey an eine übernatürliche Erscheinung, ein Schemen im Fensterglas. Ihr Atem stockte, als ihr aufging, daß diese Spiegelung so echt war wie ihre eigene, daß der Killer aus Hatchs Visionen sich in ihrem Haus befand und jetzt auf ihrer Türschwelle stand. Sie hätte schreien mögen. Doch wenn er erst merkte, daß sie ihn sehen konnte, hatte sie keine Chance mehr. Er würde sich auf sie stürzen, sie attackieren, aufschlitzen, sie umbringen, bevor Hatch auch nur die erste Treppenstufe erklommen hätte. Also seufzte sie tief und schüttelte den Kopf, als ob ihr die Zeichnung gar nicht gefiel.
    Hatch war womöglich schon tot.
    Lindsey ließ die Hand mit der Zeichenkohle sinken, als wollte sie nur einen Augenblick überlegen, bevor sie weiterzeichnete.
    Wenn Hatch jedoch lebte, wie hatte es dieser Kerl dann bis in den ersten Stock geschafft? Nein. Sie durfte gar nicht erst daran denken, dann wäre sie selber bald tot und Regina ebenso. Du liebe Güte,

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