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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und Apparaturen komplett, einschließlich der Herz-Lungen-Maschine und anderer Zusatzgeräte, die das Reanimationsteam benötigte.
    Diese komplizierte Behandlung konnte nicht in den normalen Räumen der Notaufnahme erfolgen, weil dort wegen des ständigen Zugangs neuer Patienten akuter Platzmangel herrschte.
    Obwohl Jonas Nyebern Herzchirurg war und auch sein ganzes Team viel chirurgische Erfahrung hatte, wurde bei Reanimationsversuchen sehr selten operiert. Nur wenn eine schwere innere Verletzung entdeckt würde, müßten sie Harrison aufschneiden. Die Verwendung eines Operationssaales war deshalb im Grunde keine Notwendigkeit, sondern einfach am zweckmäßigsten.
    Als Jonas den OP betrat, nachdem er im Vorraum die übliche Reinigungsprozedur vorgenommen hatte, wartete sein Team schon auf ihn. Weil das Schicksal ihn seiner Frau, seiner Tochter und seines Sohnes beraubt und ohne Familie zurückgelassen hatte und weil eine angeborene Schüchternheit ihn von jeher daran gehindert hatte, außerhalb seiner beruflichen Umgebung Freundschaften zu schließen, waren die Mitglieder der Projektgruppe nicht nur seine Kollegen, sondern die einzigen Menschen auf der Welt, in deren Gesellschaft er sich richtig wohl fühlte und die ihm wirklich etwas bedeuteten.
    Helga Dorner stand neben den Instrumentenschränken zu seiner Linken, im Halbschatten der grellen Halogenleuchten über dem Operationstisch. Sie war eine hervorragende Anästhesieschwester. Mit ihrem breiten Gesicht und der stämmigen Figur erinnerte sie an die unzähligen weiblichen Hauptdarstellerinnen in sowjetischen Filmen, die allesamt zu viele männliche Hormone zu haben schienen, aber ihre Augen und Hände hätten der lieblichsten Madonna von Raffael gehören können. Patienten fürchteten sich anfangs vor ihr, respektierten sie nach kurzer Zeit – und schließlich vergötterten sie sie.
    Es war typisch für sie, daß sie Jonas in dieser ernsten Situation nicht zulächelte, sondern nur ermutigend den Daumen hochhielt.
    Neben der Herz-Lungen-Maschine stand Gina Delilo, eine dreißigjährige MTA mit dem Spezialgebiet Chirurgie, die es aus unerfindlichen Gründen liebte, ihre außergewöhnliche Kompetenz und ihr Verantwortungsbewußtsein hinter einer kessen Aufmachung, einschließlich Pferdeschwanz und Pony, zu verbergen. Sie schien geradewegs einem jener alten Beach-Party-Filme entsprungen zu sein, die vor einigen Jahrzehnten populär gewesen waren. Wie alle anderen trug auch Gina einen grünen Anzug und eine Baumwollmütze, die ihr blondes Haar verbarg, aber aus den Stoffüberschuhen ragte ein Stück ihrer grell pinkfarbenen Kniestrümpfe heraus.
    Der Operationstisch wurde flankiert von Dr. Ken Nakamura und Dr. Kari Dovell, zwei Klinikärzten, die gleichzeitig erfolgreiche Privatpraxen betrieben. Ken war ein seltenes Doppeltalent, ein gleichermaßen hervorragender Internist und Neurologe. Die tagtägliche Erfahrung, daß die menschliche Physiologie etwas sehr Fragiles ist, ließ manche Ärzte zur Flasche greifen, während andere derart abgebrüht wurden, daß sie schließlich jeden emotionalen Kontakt zu ihren Patienten verloren. Ken hatte einen besseren Schutz: seinen Sinn für Humor, der mitunter etwas makaber, aber immer psychologisch heilsam war. Kari, eine erstklassige Fachärztin für Pädiatrie, war zehn Zentimeter größer als Ken mit seinen ein Meter siebzig, und sie war gertenschlank, während er zur Korpulenz neigte, aber sie lachte genauso gern wie der Internist. Manchmal sah Jonas in ihren Augen jedoch eine tiefe Traurigkeit, die ihn bestürzte und glauben ließ, daß die Einsamkeit wie eine Geschwulst in ihr wucherte, so tief, daß kein noch so langes und scharfes Skalpell, keine noch so aufrichtige und innige Freundschaft sie zu entfernen vermochte.
    Jonas ließ den Blick über seine vier Kollegen schweifen, aber niemand sagte etwas. In dem fensterlosen Raum herrschte eine gespenstische Stille.
    Das Team trug trügerisch ausdruckslose Mienen zur Schau, so als wären sie alle an dem Geschehen nicht besonders interessiert. Aber ihre Augen verrieten sie, denn es waren die Augen von Astronauten, die im nächsten Moment ihren Shuttle verlassen und einen Weltraumspaziergang antreten sollen – Augen, die vor Erregung, Abenteuerlust und Staunen leuchteten, aber auch ein wenig vor Angst.
    Auch andere Krankenhäuser hatten Personal mit genügend Fachkenntnissen auf dem Gebiet der Wiederbelebung, um einem Patienten eine faire Überlebenschance zu bieten, aber

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