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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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mit höchstens fünf Pfund Übergewicht, festen Knochen und kräftiger Muskulatur. Was auch immer mit seinen Gehirnzellen passiert sein mochte – seinem Aussehen nach war er ein perfekter Kandidat für die Reanimation.
    Noch vor zehn Jahren hätte sich ein Arzt in Nyeberns Lage vom Fünf-Minuten-Limit leiten lassen, das damals als maximale Zeitspanne gegolten hatte, während der das menschliche Gehirn auf die Zufuhr von Blutsauerstoff verzichten konnte, ohne daß die geistigen Fähigkeiten dauerhaft beeinträchtigt wurden. In diesen letzten zehn Jahren hatte sich die Reanimationsmedizin jedoch zu einem aufregenden neuen Forschungsgebiet entwickelt, und es waren solche Fortschritte erzielt worden, daß die Theorie des Fünf-Minuten-Limits schließlich als überholt aufgegeben wurde. Mit Hilfe neuartiger Drogen, die freie Radikale unschädlich machen konnten, mit Hilfe von Apparaturen, die Blut abkühlen und erwärmen konnten, mit Hilfe massiver Dosen Epinephrin und anderer Mittel konnten die Ärzte einige Patienten aus immer tieferen Regionen des Todes zurückholen. Und Hypothermie – extreme Abkühlung des Gehirns, die die schnellen und verheerenden chemischen Veränderungen in den Zellen nach Eintritt des Todes verhinderte – verlängerte die Zeitspanne, innerhalb derer ein toter Patient erfolgreich reanimiert werden konnte. Zwanzig Minuten waren mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr. Dreißig waren nicht hoffnungslos. Es gab nachgewiesene Fälle von gelungener Wiederbelebung nach vierzig und fünfzig Minuten. Im Jahre 1988 wurde in Utah ein zweijähriges Mädchen aus einem eisigen Fluß gezogen und zu neuem Leben erweckt, nachdem es mindestens Sechsundsechzig Minuten tot gewesen war, ohne Gehirnschäden davonzutragen. Und erst im vergangenen Jahr war in Pennsylvania eine zwanzigjährige Frau siebzig Minuten nach ihrem Tod geistig völlig unbeschadet wiederbelebt worden.
    Die vier anderen Mitglieder der Gruppe starrten noch immer auf Jonas.
    Der Tod ist nur ein anderer pathologischer Zustand, sagte er sich.
    Die meisten pathologischen Zustände waren durch Behandlung reversibel.
    Tod war eine Sache. Aber kalt und tot war etwas anderes.
    An Gina gewandt fragte er: »Wie lange ist er schon tot?«
    Zu Ginas Aufgaben gehörte es, mit den Notärzten am Ort des Geschehens Funkkontakt aufzunehmen und alle Informationen zu sammeln, die für das Wiederbelebungsteam im Augenblick der Entscheidung ausschlaggebend sein konnten. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr – eine Rolex mit geschmacklosem pinkfarbenen Lederband, das aber zu ihren Kniestrümpfen paßte – und berichtete, ohne einen Moment zu zögern: »Sechzig Minuten, aber das ist nur eine Schätzung. Sie wissen nicht genau, wie lange er schon tot war, als sie ihn aus dem Wasser gezogen haben. Könnte auch mehr sein.«
    »Oder weniger«, sagte Jonas.
    Während er seine Entscheidung traf, trat Helga an Ginas Seite, und gemeinsam tasteten sie den linken Arm der Leiche ab, auf der Suche nach der Hauptvene, für den Fall, daß Jonas sich zur Reanimation entschloß. Blutgefäße im schlaffen Fleisch eines Toten zu lokalisieren, war gar nicht so einfach, weil das Anlegen eines Gummischlauchs den Blutdruck nicht erhöhen würde. In einem toten Organismus gab es keinen Druck.
    »Okay, ich riskier's«, sagte Jonas.
    Er blickte von Ken zu Kari, Helga und Gina, um ihnen eine letzte Gelegenheit zu geben, seine Entscheidung in Frage zu stellen. Dann schaute er auf seine Timex-Armbanduhr und sprach auf Band: »Es ist 21 Uhr 12, Montagabend, 4. März. Der Patient, Hatchford Benjamin Harrison, ist tot … aber eine Reanimation scheint möglich.«
    Welche Zweifel die anderen zuvor auch gehabt haben mochten, nun zögerten sie keine Sekunde. Sie hatten das Recht – und die Pflicht –, Jonas zu beraten, bevor er die Entscheidung traf, aber sobald sie gefallen war, setzten sie ihr ganzes Wissen und Können ein, um seine Ankündigung, eine Reanimation sei möglich, wahr zu machen.
    Lieber Gott, dachte Jonas, ich hoffe, ich habe das Richtige getan.
    Gina hatte bereits eine Nadel in die Vene eingeführt, die sie und Helga lokalisiert hatten. Nun schalteten sie die Herz-Lungen-Maschine ein, die Harrisons Körper das Blut entziehen und allmählich auf siebenunddreißig Grad erwärmen würde. Anschließend würde es durch einen anderen Schlauch über eine Oberschenkelvene in den Körper zurückgepumpt werden.
    Sobald der Prozeß eingeleitet war, gab es eine Unmenge zu tun. Die Monitore

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