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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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daß sie sehr tüchtig und zuverlässig war.
    »Oh, Dr. Nyebern, gut, daß Sie hier sind. Sein Herzschlag auf dem Monitor war …«
    »Beschleunigt, ja, ich weiß. Er ist gerade aufgewacht.«
    Ramona schaltete die Lampe über dem Bett ein, um den Patienten deutlicher sehen zu können.
    Harrison starrte noch immer durchs Fenster in die Ferne, ohne von Jonas und der Schwester Notiz zu nehmen. Mit müder, noch leiserer Stimme als zuvor murmelte er wieder: »Etwas ist dort draußen.« Dann flatterten seine Lider schläfrig und fielen wieder zu.
    »Mr. Harrison, können Sie mich hören?« fragte Jonas.
    Der Patient antwortete nicht.
    Das EKG zeigte, daß der Herzschlag sich rasch normalisierte: von hundertvierzig auf hundertzwanzig und dann auf hundert Schläge pro Minute.
    »Mr. Harrison?«
    Neunzig Schläge pro Minute. Achtzig.
    »Er schläft wieder«, sagte Ramona.
    »Sieht so aus.«
    »Aber es ist ein normaler Schlaf«, fuhr sie fort. »Von einem Koma kann jetzt überhaupt keine Rede mehr sein.«
    »Kein Koma«, bestätigte Jonas.
    »Und er hat gesprochen! Ergaben seine Worte einen Sinn?«
    »Irgendwie schon. Schwer zu sagen.«
    Jonas beugte sich über das Bettgitter und betrachtete aufmerksam die Lider des Mannes, die im Rhythmus der schnellen Augenbewegungen zuckten. Harrison träumte wieder im Schlaf.
    Draußen wurde der Regen plötzlich stärker. Auch der Wind heulte lauter und prasselte gegen das Fenster.
    »Die Worte, die ich gehört habe, waren klar, nicht undeutlich«, sagte Ramona.
    »Stimmt. Und er hat einige ganze Sätze gesprochen.«
    »Dann ist er nicht aphasisch«, bemerkte sie. »Das ist großartig.«
    Aphasie, die völlige Unfähigkeit zu sprechen oder gesprochene und geschriebene Sprache zu verstehen, gehörte zu den schlimmsten Formen der Gehirnschädigung durch Krankheit oder Unfall. Ein davon betroffener Patient konnte sich nur noch mit Gesten verständigen, und die Unzulänglichkeit dieser Pantomime stürzte ihn bald in tiefe Depression, aus der es manchmal keine Rückkehr gab.
    Harrison war von diesem Fluch offenbar verschont geblieben. Falls er auch nicht gelähmt war und sein Gedächtnis nicht zu viele Lücken aufwies, hatte er eine gute Chance, wieder ein normales Leben führen zu können.
    »Keine voreiligen Schlußfolgerungen«, warnte Jonas wieder. »Wir wollen uns keine falschen Hoffnungen machen. Vor ihm liegt noch ein weiter Weg. Aber Sie können in seinen Krankenbericht eintragen, daß er um 23 Uhr 30 erstmals das Bewußtsein wiedererlangt hat, zwei Stunden nach der Wiederbelebung.«
    Harrison murmelte im Schlaf.
    Jonas beugte sich über das Bett und hielt sein Ohr dicht an die Lippen des Patienten, die sich kaum bewegten. Die Worte waren nicht mehr als ein Hauch. Es war so, als hörte man im Radio eine spektrale Stimme von einem fernen Sender irgendwo auf der anderen Seite der Weltkugel, eine Stimme, die einen so weiten Weg durch die Atmosphäre zurückgelegt hat und durch schlechtes Wetter so undeutlich und verzerrt ist, daß sie – obwohl nicht einmal zur Hälfte verständlich – geheimnisvoll und prophetisch klingt.
    »Was sagt er?« fragte Ramona.
    Bei dem Heulen des Sturms war sich Jonas nicht ganz sicher, ob er richtig gehört hatte, aber er glaubte, daß der Mann seinen früheren Satz wiederholte: »Etwas … ist … dort … draußen.«
    Der Wind brauste noch stärker, und der Regen trommelte so heftig gegen die Fensterscheiben, daß er das Glas zu zerbrechen drohte.
14
    Vassago liebte den Regen. Die Sturmwolken hatten den ganzen Himmel bedeckt und keine Lücken übriggelassen, durch die der viel zu helle Mond hätte durchdringen können. Der Wolkenbruch dämpfte auch das Licht der Straßenlampen und der Scheinwerfer entgegenkommender Autos, schwächte sogar die grellen Neonreklamen und trübte insgesamt die Nacht so gründlich, daß er sich beim Fahren viel wohler fühlte als sonst, wenn nur seine Sonnenbrille ihn schützen konnte.
    Er war von seinem Schlupfwinkel aus zuerst in westliche Richtung gefahren, dann an der Küste entlang nach Norden, auf der Suche nach einem Lokal mit gedämpftem Licht und einigen für seine Zwecke geeigneten Frauen. Viele Kneipen hatten montags geschlossen, und in anderen war so spät am Abend – kurz vor der Geisterstunde – nichts mehr los.
    Schließlich fand er eine Bar in Newport Beach, am Pacific Coast Highway. Es war ein eleganter Schuppen mit Baldachin zur Straße hin, weißen Lichterketten entlang des Daches und einem Plakat: MITTWOCH

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