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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Flüssigkeit in seinem Glas, bei der es sich um Bourbon handeln mußte. »Das gehört nicht zu ihrer Behinderung.«
    »Sie ist in Wirklichkeit nicht so«, fügte Pater Duran an. Er zwinkerte mit seinen Eulenaugen, als wäre ihm Rauch hineingekommen. »Sie ist ein wunderbares Kind. Ich weiß, daß Sie das kaum glauben werden …«
    »Und sie kann auch viel besser gehen, viel, viel besser«, sagte die Nonne ohne Namen. »Ich weiß nicht, was plötzlich in sie gefahren ist.«
    »Ich weiß es«, meldete sich Schwester Immaculata zu Wort. Sie strich sich mit einer Hand müde über das Gesicht. Ihre Augen waren traurig. »Vor zwei Jahren, als sie acht war, gelang es uns, Adoptiveltern für sie zu finden. Ein Ehepaar in den Dreißigern, dem man gesagt hatte, es könnte nie eigene Kinder haben. Sie hatten sich selbst eingeredet, daß ein behindertes Kind ein besonderer Segen wäre. Zwei Wochen nachdem Regina bei ihnen eingezogen war, noch während der Probezeit, wurde die Frau schwanger. Sie würden nun doch ein eigenes Kind haben, und plötzlich kam ihnen die Adoption nicht mehr als der Weisheit letzter Schluß vor.«
    »Und sie brachten Regina einfach zurück?« fragte Lindsey. »Gaben sie im Waisenhaus wieder ab? Wie schrecklich!«
    »Ich kann ihnen keinen Vorwurf daraus machen«, sagte Schwester Immaculata, »Wahrscheinlich fühlten sie, daß ihre Liebe für ein eigenes Kind und die arme Regina nicht ausreichen würde, und in diesem Fall haben sie das Richtige getan. Regina hat es nicht verdient, in einem Haus aufzuwachsen, wo sie ständig das Gefühl hätte, nur an zweiter Stelle zu stehen, weniger geliebt zu werden als das andere Kind, immer so eine Art Außenseiterin zu bleiben. Für Regina war diese Zurückweisung jedenfalls ein schrecklicher Schlag. Es dauerte sehr lange, bis sie wieder etwas Selbstbewußtsein bekam. Ein zweites Mal will sie so ein Risiko wahrscheinlich nicht eingehen.«
    Sie standen schweigend da. Draußen schien die Sonne sehr hell. Die Palmen wiegten sich sanft. Hinter den Bäumen waren Gebäude zu sehen – Fashion Island, das Einkaufs- und Geschäftszentrum von Newport Beach, an dessen Peripherie sich Gujilios Kanzlei befand.
    »Eine schlechte Erfahrung raubt sensiblen Kindern manchmal jede Chance. Sie weigern sich, es noch einmal zu versuchen. Ich befürchte, unsere Regina gehört zu dieser Kategorie. Sie ist mit dem festen Vorsatz hergekommen, Sie zu schockieren und das Kontaktgespräch in eine Katastrophe zu verwandeln, und das ist ihr ja tatsächlich phantastisch gelungen.«
    »Es ist wie bei jemandem, der sein Leben lang im Gefängnis war«, sagte Pater Jiminez, »plötzlich wird er begnadigt und ist anfangs auch überglücklich. Nach kurzer Zeit muß er aber feststellen, daß er sich in der Außenwelt nicht zurechtfindet. Also begeht er ein Verbrechen, nur um wieder eingesperrt zu werden. Das Gefängnis – oder auch das Waisenhaus – mag noch so trist und beengend sein, aber es ist vertraut, es bietet Sicherheit.«
    Salvatore Gujilio nahm den Besuchern ihre leeren Gläser ab. Er war nach wie vor in jeder Hinsicht eine imposante Gestalt, aber obwohl Regina den Raum verlassen hatte, wirkte er nicht mehr so dominierend wie vor ihrem Eintreffen. Durch den Vergleich mit dem zierlichen, stupsnasigen, grauäugigen Kind war das Überwältigende seiner Präsenz ein für allemal dahin.
    »Es tut mir so leid.« Schwester Immaculata legte Lindsey tröstend eine Hand auf die Schulter. »Wir werden es nochmals versuchen, meine Liebe. Wir suchen ein anderes Kind für Sie aus, und diesmal wird es bestimmt das ideale Kind sein.«
2
    Lindsey und Hatch verließen Gujilios Kanzlei an diesem Donnerstagnachmittag um 15 Uhr 10. Sie hatten abgemacht, bis nach dem Abendessen nicht über das Treffen zu sprechen. Jeder sollte Zeit haben, in Ruhe darüber nachzudenken, um dann seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Beide wollten keinen rein emotionalen Entschluß fassen oder den anderen voreilig beeinflussen – um es später vielleicht ein Leben lang zu bereuen.
    Natürlich hatten sie nie damit gerechnet, daß das Kontaktgespräch so verlaufen könnte. Lindsey hätte nur allzu gern darüber gesprochen.
    Sie vermutete, daß ihrer beider Entschluß bereits feststand, daß das Mädchen bereits für sie entschieden hatte und es deshalb im Grunde sinnlos war, noch lange zu überlegen. Aber sie hatten nun einmal vereinbart abzuwarten, und Hatch schien nicht geneigt, diese Abmachung zu brechen. Folglich hielt auch Lindsey

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