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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Erdgeschoß ließen, das sich zum Schlafzimmer umgestalten ließ.
    »Was für diesen Raum spricht«, sagte Mr. Harrison über das Arbeitszimmer, »ist der Ausblick. Er ist schöner als oben.«
    Er führte Regina zu den großen Fenstern, die auf einen Rosengarten hinausgingen, der von riesigen Farnen gesäumt war. Der Blick war sehr hübsch.
    »Und du hättest all diese Bücherregale«, fügte Mrs. Harrison hinzu, »die du im Laufe der Zeit mit deiner eigenen Sammlung füllen könntest, wo du doch so gerne liest.«
    Ohne es auch nur anzudeuten, war es natürlich ihre eigentliche Sorge, daß ihr die Treppe Probleme bereiten könnte. Aber ihr machten Treppen nicht viel aus. Im Gegenteil, sie mochte Treppen, sie liebte Treppen, sie war geradezu verrückt nach Treppen. Im Waisenhaus hatte man sie im Erdgeschoß untergebracht, bis sie mit acht Jahren begriff, daß sie das ihrer Beinschiene und ihrer verkrüppelten rechten Hand zu verdanken hatte. Daraufhin hatte sie verlangt, in den zweiten Stock umziehen zu dürfen. Die Nonnen wollten davon nichts hören, folglich versuchte sie es mit einem Wutanfall, aber die Nonnen wußten mit so etwas umzugehen. Dann versuchte sie, mit provozierender Nichtachtung ans Ziel zu gelangen, aber die Nonnen ließen sich nicht provozieren. Schließlich trat sie in einen Hungerstreik, und endlich gaben die Nonnen nach, zunächst allerdings nur probeweise. Sie hatte mehr als zwei Jahre im zweiten Stock gewohnt und nie den Aufzug benutzt. Als sie sich im Hause der Harrisons für das Schlafzimmer im ersten Stock entschied, ohne es auch nur gesehen zu haben, versuchten sie nicht, es ihr auszureden, fragten nicht, ob sie das »schaffen« würde, zuckten nicht einmal mit der Wimper. Sie liebte sie dafür.
    Das Haus war einfach umwerfend – cremefarbene Wände, moderne und antike Möbel, chinesische Vasen und Schalen, alles harmonisch aufeinander abgestimmt. Als sie mit ihr einen Rundgang machten, fühlte sich Regina wirklich so gefährlich ungeschickt, wie sie bei dem Kontaktgespräch behauptet hatte. Sie bewegte sich übertrieben vorsichtig, weil sie befürchtete, sie könnte einen wertvollen Gegenstand umwerfen und dadurch eine Kettenreaktion auslösen, die den ganzen Raum erfassen, sich über die Schwelle ins nächste Zimmer ausbreiten und von dort aufs ganze Haus übergreifen würde: Ein herrliches Stück würde das nächste mit sich reißen, zweihundert Jahre altes Porzellan in tausend Stücke zerspringen, antike Möbel würden zu Brennholz zersplittern, und schließlich würden sie zu dritt inmitten eines einzigen Trümmerhaufens stehen, bedeckt mit dem Staub dessen, was noch kurz zuvor ein Vermögen wert gewesen war.
    Sie war so überzeugt davon, daß genau dies passieren würde, daß sie sich in jedem Zimmer den Kopf zerbrach, was sie sagen könnte, wenn es zur Katastrophe kam, wenn auch die letzte Pralinenschale aus Kristall vom letzten zerberstenden Tisch fiel, der einmal dem ersten französischen König gehört hatte. »Hoppla!« war wohl nicht ganz angebracht, und »Allmächtiger!« auch nicht, weil die Harrisons sie ja schließlich in dem Glauben adoptiert hatten, sie wäre ein braves katholisches Mädchen und keine gottlose Heidin (entschuldige, lieber Gott!), und sie konnte auch nicht sagen: »Jemand hat mich gestoßen«, weil das eine Lüge wäre, und mit Lügen kaufte man sich eine Fahrkarte zur Hölle, obwohl sie stark vermutete, daß sie sowieso in der Hölle landen würde, nachdem sie es einfach nicht lassen konnte, zu fluchen, ordinäre Wörter zu benutzen und Gottes Namen gedankenlos im Munde zu führen. Für sie würde es wohl nie einen Ballon mit strahlendem goldenen Gas geben.
    Überall im Haus hingen Bilder an den Wänden, und Regina stellte fest, daß die schönsten Gemälde in der rechten unteren Ecke alle dieselbe Signatur trugen: Lindsey Sparling. Obwohl sie ein absoluter Versager war, war sie doch intelligent genug zu begreifen, daß der Name Lindsey nicht zufällig dort stand, daß Sparling Mrs. Harrisons Mädchenname sein mußte. Es waren die seltsamsten und schönsten Gemälde, die Regina je gesehen hatte, manche so hell und mit einer so positiven Ausstrahlung, daß man unwillkürlich lächeln mußte, andere wieder dunkel und nachdenklich stimmend. Sie wäre am liebsten vor jedem einzelnen lange stehengeblieben, um sie richtig aufzunehmen, aber sie befürchtete, daß die Harrisons sie für eine arschkriecherische Heuchlerin halten könnten, die nur so tat, als

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