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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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die Mr. Harrison das Leben rettete‹. Was für eine Rolle hat er denn bei meiner Rettung gespielt? Meint er etwa seinen Funkspruch, nachdem wir in den Abgrund gestürzt sind? Aber wenn sein verdammter Laster sich nicht quergestellt hätte, wären wir gar nicht erst verunglückt! Nicht genug damit, daß er seinen Führerschein behält und wahrscheinlich seinen Job zurückbekommt – er schlägt auch noch Kapital aus der Sache! Wenn mir dieses gottverfluchte Schwein über den Weg läuft, mache ich es kalt, das schwöre ich dir!«
    »Das ist doch nicht dein Ernst«, sagte sie schockiert.
    »Und ob das mein Ernst ist! Dieses verantwortungslose geldgierige Schwein! Was dieser Cooper bräuchte, wären ein paar kräftige Tritte in den Schädel, damit sein Hirn besser funktioniert! Und anschließend würde ich ihn in diesen eisigen Fluß werfen …«
    »Liebling, schrei nicht so!«
    »Warum zum Teufel sollte ich in meinem eigenen Haus nicht so laut schreien wie …«
    »Du wirst Regina aufwecken.«
    Es war nicht die Erwähnung des Mädchens, die ihn aus seiner blinden Rage riß, sondern der Anblick, der sich ihm in der verspiegelten Schranktür neben Lindsey bot. Er sah darin nicht sich. Eine Sekunde lang sah er einen jungen Mann mit dichten schwarzen Haaren, die ihm in die Stirn fielen, mit Sonnenbrille, schwarz gekleidet. Er wußte, daß er den Mörder sah, aber der Mörder schien er selbst zu sein. In diesem Augenblick waren sie eins. Dieser aberwitzige Gedanke – und das Bild des jungen Mannes – verschwand nach wenigen Sekunden. Nun starrte Hatch sein eigenes vertrautes Spiegelbild an.
    Was ihn noch mehr erschütterte als die Halluzination als solche, war die vorübergehende Vermischung der Identität.
    Sein eigener Anblick war fast ebenso abstoßend wie der des Mörders. Er sah aus, als würde ihn jeden Moment der Schlag treffen. Wirre Haare. Ein hochrotes, wutverzerrtes Gesicht. Und seine Augen waren … wild. Er sah wie sein Vater aus, und das war undenkbar, unerträglich.
    Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so wütend gewesen war. Ehrlich gesagt, war er noch nie derart in Rage geraten. Bisher hatte er geglaubt, zu solchen Wutausbrüchen überhaupt nicht fähig zu sein.
    »Ich … ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.«
    Er ließ das zerknitterte Zeitungsblatt fallen. Es streifte den Schreibtisch und flatterte zu Boden, und das leise Knistern ließ ein unerklärlich lebendiges Bild vor seinem geistigen Auge erstehen – trockene braune Blätter, die in einem öden, halbverfallenen Vergnügungspark von einer Brise über das rissige Pflaster getrieben wurden – und einen Moment lang war er dort, und um ihn herum wucherte Unkraut aus den Rissen im Asphalt, welkes Laub wirbelte vorbei, und der Mond schien durch die Stützpfeiler einer Achterbahn. Dann war er wieder in seinem Arbeitszimmer. Er fühlte sich so schwach, daß er sich an den Schreibtisch lehnte.
    »Hatch?«
    Er blinzelte, konnte nicht sprechen.
    »Was ist mit dir?« Sie eilte zu ihm hin, berührte zögernd seinen Arm, so als befürchtete sie, daß er zerfallen könnte – oder auf ihre schüchterne Berührung mit einem heftigen Schlag reagieren würde.
    Er legte seine Arme um sie und drückte sie fest an sich. »Lindsey, es tut mir leid. Ich weiß wirklich nicht, was in mich gefahren ist.«
    »Schon gut.«
    »Nein. Ich war so … so wütend !«
    »Du hast dich einfach sehr geärgert, weiter nichts.«
    »Es tut mir so leid«, wiederholte er kläglich.
    Auch wenn sie glaubte, er hätte sich einfach wahnsinnig geärgert – er wußte, daß es mehr als das gewesen war, etwas Merkwürdiges, eine schreckliche Rage. Weißglühend. Psychotisch. Er hatte deutlich gespürt, daß er am Rande eines Abgrunds schwankte und nur noch mit den Absätzen auf festem Boden stand.
     
    In Vassagos Augen warf Luzifers Statue sogar in der totalen Dunkelheit einen Schatten, aber er konnte die Leichen in ihren erniedrigenden Posen dennoch deutlich sehen und sich an ihnen ergötzen. Er war ganz hingerissen von dem organischen Gesamtkunstwerk, das er geschaffen hatte, vom Anblick der Gedemütigten und von ihrem Gestank. Und obwohl sein Gehör bei weitem nicht so gut wie sein nächtliches Sehvermögen war, glaubte er nicht, daß er sich die leisen saugenden Verwesungsgeräusche nur einbildete, zu denen er sich wiegte wie ein Musikliebhaber zu Klängen von Beethoven.
    Als ihn plötzlich Ärger überkam, wußte er nicht, worüber er sich eigentlich ärgerte. Es war

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