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Das versteckte Experiment (German Edition)

Das versteckte Experiment (German Edition)

Titel: Das versteckte Experiment (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Kramer
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die Geräusche des Gerätes sie vertreiben würden und er keine rohe Gewalt anwenden musste. Mausi legte beide Ohren nach hinten, als sich der Computer nach dem Hochfahren mit eindringlichen Piepgeräuschen gegen die unsachgemäße Behandlung wehrte. Sie verlagerte ihr Gewicht mehrmals, veränderte damit zwar die Tonfrequenz, brachte das Gerät aber nicht zum Schweigen. Sichtlich genervt verließ sie den nun ungemütlich gewordenen Ort, sprang vom Schreibtisch und versuchte es, sich im Bücherbord einzurichten. Auf dem Bildschirm tauchte ein wildes Durcheinander von Buchstaben, Zeichen und Zahlen auf. Das Schriftstück war wesentlich schwieriger zu verstehen als die Laute, die Mausi in den verschiedenen Situationen von sich zu geben pflegte. Theoretisch hätte natürlich durch reinen Zufall auf diese Weise ein kompletter Roman entstehen können. Die Wahrscheinlichkeit dafür war immerhin größer als die, dass die Naturkonstanten in unserem Universum zufällig die Größe erhielten, die für seine Existenz notwendig sind. Das hatte Jan in einem der Bücher gelesen, die Christine ihm empfohlen hatte. Wenn nicht durch Zufall, wie aber dann hatten die Naturkonstanten die passenden Größen angenommen, die für die Entwicklung des Weltalls mit all seinen vielfältigen Strukturen erforderlich waren? Das erklärten die Bücher leider nicht.

Rumpelstilzchen
     
    7. Die Naturkonstanten
     
    Jan surfte ziellos im Internet. Anschließend las er seine E-Mails. Es war nur Werbung im Posteingang. Einigen Absendern schickte er eine leere Mail zurück, in der Hoffnung, dass er damit aus der Verteilerliste gestrichen würde. Manchmal funktionierte das sogar. Draußen auf der Straße hörte er ein lautes Geräusch, das er nach kurzer Überlegung einordnen konnte. Es war der Lärm, der entsteht, wenn die Schiebetür eines Transporters geschlossen wird. Jan stand auf und ging zum Fenster. Tatsächlich parkte ein dunkelblauer Lieferwagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Schiebetür befand sich auf der abgewandten Fahrzeugseite. Die Fenster des Transportraums waren so dunkel getönt, dass man unmöglich in das Wageninnere blicken konnte. Die Fahrgastzelle war jedoch komplett einsehbar. Dort befand sich niemand. Jan sah auch niemanden vom Wagen fortgehen. Die Person musste die Schiebetür von innen geschlossen haben.
    Jans Neugier wuchs und er beobachtete den Wagen noch einige Minuten. Schließlich kam er sich vor wie sein Großvater aus Heide.
    „Ik bruk keen Fernseher“, sagte er immer, stand vor dem geöffneten Fenster, ein Kissen auf der Fensterbank und darauf seine Ellenbogen gestützt. Stundenlang beobachtete er das Treiben draußen auf der Straße. Ab und zu grüßte ein freundlicher Nachbar mit „Moin“. „Moin, Moin“, erwiderte Großvater dann, nahm seine Pfeife aus dem Mund und winkte damit durch das Fenster. Die Rauchwolken folgten dem Passanten ein Stück, bis sie sich langsam auflösten. Circa alle 20 Minuten erhob er sich. Ob dabei der alte Stuhl oder seine Knochen knarrten, wusste Jan nicht. Er spazierte dann in seinem Zimmer auf und ab, während er sich eine neue Pfeife stopfte.
    Jan roch jetzt ganz intensiv den Tabak. Er mochte den Geruch und er hatte seinen Großvater sehr gemocht. Besonders hatte Jan es genossen, wenn dieser Geschichten von früher erzählte, aus seiner Kindheit und Schulzeit. Manchmal erzählte Jan, was er so erlebte. Großvater hörte immer interessiert zu. Begriffe wie „Internet“, „E-Mail“ und „Handy“ kannte er zwar, konnte aber nicht wirklich etwas damit anfangen. Sie gehörten einfach nicht zu seiner Erlebniswelt. „Hät man dat hüt?“ sagte er dann.
    Großvater war vor zwei Jahren gestorben. Jan vermisste ihn manchmal sehr, so wie jetzt. Aber irgendetwas bleibt von jedem Menschen. Der Geruch des Pfeifentabaks war gerade real geworden. Die Geräusche, Worte und Bilder entstanden jetzt in Jans Kopf, ob er wollte oder nicht. Es waren keine Materie, kein Großvater und keine Fotos oder Filme dafür erforderlich.
    Auch Großvaters Einflüsse auf die materielle Welt zeigten sich noch heute. Ohne ihn wäre Jan nicht geboren worden und alles, was Großvater getan hatte, und das, was Jan heute tat, hatte irgendwie Einfluss auf die Geschehnisse der Welt. Vielleicht waren die Einflüsse sogar gravierend, wie Jans Gedankengänge mit der Katze und der Maus gezeigt hatten.
    Jan schaute immer noch aus dem Fenster, doch wahrgenommen hatte er nur die inneren Bilder. Was

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