Das versteckte Experiment (German Edition)
Boden unter den Füßen zu verlieren. Er hob sein Bierglas und versuchte, es möglichst lässig zum Mund zu führen. Aus unerklärlichen Gründen verschüttete er dabei einen nicht unbeträchtlichen Teil des Inhalts, der ihm am Hals und anschließend an der Brust hinunterlief. Trotzdem versuchte er, den Trinkvorgang zu Ende zu bringen. Die Schaumkrone verteilte sich über seinen Mund und verschonte auch seine Nase nicht. Cool sah das Ganze bestimmt nicht aus! Schnell wischte sich Jan mit der Hand den Schaum aus dem Gesicht.
Vielleicht hatte Sintja ja nichts davon mitbekommen. Sie hatte sich Martin zugewandt. „Wir gehen noch zu Petra, kannst du mich dort nachher mit deinem Roller abholen?“
„Geht klar, ich bin um ca. elf bei euch, bis dann“, antwortete Martin.
Sie drehte sich um, um zu gehen. Dabei traf ihr Blick erneut für den Bruchteil einer Sekunde mit dem Jans zusammen. Kaum zu glauben, was sich in so kurzer Zeit abspielen konnte. Flugzeuge im Bauch waren gar nichts gegen das, was Jan in diesem Moment empfand.
Als er sich wieder gefangen hatte und sogar das Bier wieder spürte, das inzwischen sein rechtes Bein erreicht hatte, fragte er möglichst ruhig und beiläufig: „Wer war das?“
„Mein Schwesterchen Sintja“, antwortete Martin, „sie ist ganz in Ordnung.“
Gegen halb elf löste sich die Runde auf und Jan schwang sich auf seinen Drahtesel. Als er zu Hause ankam, waren bereits alle Zimmer dunkel. Jan ging leise in sein Zimmer und legte sich mit allen Klamotten einschließlich seiner Schuhe aufs Bett, ohne das Licht anzuschalten. „Mau“ klang es vorwurfsvoll und zwei grün leuchtende Augen blitzten kurz am Fußende auf und verloschen wieder. Ein lautes Schnurren folgte unmittelbar.
Jan dachte an die Geschehnisse des Tages, an den Chat mit Christine, an das Treffen mit seinen Freunden und immer und immer wieder an Sintja. Sie kam ihm vor wie ein Wesen von einem anderen Stern. Bei diesem Gedanken musste er schmunzeln. Er dachte an Christines Worte, dass die Menschen aus Materie aufgebaut seien, die aus explodierten Sternen stammte.
Die Barthaare der Katze kitzelten Jan an seiner rechten Wade, sodass er zusammenzuckte.
Er musste Sintja unbedingt wiedersehen. Wie konnte er das nur anstellen? Da sie Martins Schwester war, müssten sich doch Möglichkeiten schaffen lassen. Vielleicht sollte er eine Fete feiern und Martin und Sintja einladen. Vielleicht sollte er auch öfter in den Magellan gehen. Ganz zufällig würde er sie dort treffen und einfach ansprechen. Wenn das nur so leicht wäre.
Langsam mischten sich wieder Realität und Traum in Jans Gedanken, bis er schließlich ganz einschlief. Mitten in der Nacht wurde er durch ein herzzerreißendes Miau geweckt. Jan schaltete verschlafen das Licht ein. Die Katze saß vor der Zimmertür. Sie sah ihn mit ihren großen Augen an, und während sie erneut miaute, senkte sie langsam die Lider, als könnte sie dadurch noch mehr Aufmerksamkeit oder Mitleid erregen. Die Tür war nur angelehnt. Jan hatte schon oft gesehen, wie sie die Tür mit den Pfoten geöffnet hatte. Doch heute Nacht fand sie es wohl schöner, wenn er das für sie erledigte. Jan stand auf und mit dem Wort „Mistviech“ entließ er sie in den Flur. Von dort aus konnte sie in den Keller gelangen und über den Lichtschacht ins Freie. Allerdings blieb sie stehen, drehte den Kopf und sah zu Jan hinauf. „Miau“ klang es erneut. Dann tapste sie langsam, die Ohren nach hinten geknickt, in Richtung Küche. „Es gibt nichts zu fressen!“ murrte Jan genervt und öffnete die Haustür. Mausi verharrte einige Sekunden, die Ohren immer noch rückwärts und den Schwanz nach oben gerichtet. Schließlich schien sie die Aussichtslosigkeit ihres Versuchs einzusehen, drehte sich um und lief betont langsam und offensichtlich beleidigt ins Freie.
Erst jetzt bemerkte Jan, dass er noch vollständig bekleidet war. Er ging zurück in sein Zimmer und lehnte die Tür nur an. Er wusste, dass die Katze irgendwann im Laufe der Nacht wieder durch den Keller zurückkommen würde. Wenn die Tür dann geschlossen war, würde sie solange jaulen, bis er aufstand und sie öffnete. Für den Fall, dass er das Jaulen nicht hörte oder ignorierte, würde sie das zweite Geschütz auffahren und sie mit ihren Krallen bearbeiten. Das wirkte fast immer. Jan wusste aber auch, dass die geöffnete Tür eine Einladung darstellte, ihm ein Geschenk mitzubringen. Eines Nachts hatte er noch im Halbschlaf das „Miau“
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