Das versteckte Experiment (German Edition)
Betriebssystem. Er schaltete den Computer aus, zog seine Kleidung endlich aus und legte sich ins Bett. „Was für ein irrer Tag“, dachte er noch, bevor er, begleitet von wirren Bildern und Gedanken, einschlief.
Das Referat
3. Sonne, Mond und Sterne
Pünktlich um sieben Uhr klingelte Jans Wecker, ein altmodisches Ding zum Aufziehen, mit einer richtigen Glocke, die von zwei Klöppeln angeschlagen wurde. Früher hatte er sich über einen Zeitschalter mit Musik seiner Stereoanlage wecken lassen. Aber immer öfter hatte er selig weitergeschlafen und manchmal die Musik in seine Träume eingebaut. Das hässliche Gebimmel seines Weckers ließ sich jedoch, wenn überhaupt, nur in einen Albtraum einbauen, der ihn dann sowieso bald aufwecken würde. Der Wecker scherte sich überhaupt nicht darum, dass er diese Nacht nur wenig geschlafen hatte. Jan versuchte das Ding abzustellen, ohne die Augen zu öffnen, stieß es jedoch zu Boden. Es verstummte aber nicht, sondern lag auf dem Rücken, bimmelte noch grässlicher als vorher und drehte sich dabei im Kreise. Jan stand auf. Mit einem Tritt beförderte er das High-Tech-Monster unter den Kleiderschrank, wo es endlich verstummte. Er schaltete wie gewöhnlich seinen Computer an und ging in die Dusche. Zurück in seinem Zimmer, warf er einen Blick auf seine E-Mails, die dieses Mal nur aus Spams bestanden, sensationellen Tipps für faltenlose Haut und für die Reinigung der dritten Zähne. Im Messengerfenster war eine Nachricht von Christine: „Viel Erfolg bei deinem Referat.“
Mit den Tipps konnte Jan nichts anfangen, aber über die Nachricht von Christine freute er sich. Wie jeden Tag warf er noch einen Blick auf die Regenradarkarte des Deutschen Wetterdienstes. Sie zeigte ein riesiges Wolkenband, das sich von den Niederlanden nach Deutschland bewegte. Es hatte eine merkwürdige Streifenform und seine Ausläufer sollten gegen Mittag auch in Norddeutschland eintreffen. Es konnte ungemütlich werden und Jan beschloss, eine Regenjacke anzuziehen.
In der Schule lief an diesem Tag soweit alles normal. Die Lehrer ließen ihn in Ruhe, auch wenn man ihm sicher ansah, dass er mit seinen Gedanken ganz und gar nicht beim Unterrichtsstoff war. Als endlich der Physikunterricht anfing und damit seine große Stunde kam, war er hellwach und konzentriert. Fast hatte er Angst, Petersen könnte sein Referat vergessen haben. Doch bereits kurz nach Unterrichtsbeginn leitete Petersen Jans Vortrag mit den Worten ein: „Und jetzt schildert uns Jan den aktuellen Stand der Solarforschung.“
Jan ging zur Tafel und ließ seine Aufzeichnungen auf seinem Platz liegen. Er hatte sich so intensiv mit dem Thema beschäftigt und alles weitgehend verstanden, dass er das Referat sicher auch ohne Skript halten konnte. Und tatsächlich lief alles phantastisch. Dadurch, dass er alles frei formulierte und in seine eigenen Worte fasste, glaubten die Zuhörer ihm, dass er verstand, was er vortrug. Jan meinte auch einige enttäuschte Gesichter unter den Mitschülern zu erkennen, die gerne gesehen hätten, wenn er gescheitert wäre. Ein bisschen Schadenfreude war manchmal ganz aufbauend, um die eigenen Misserfolge zu verarbeiten. Eine echte Rivalität und böswillige Häme gab es in der Klassengemeinschaft jedoch nicht. Nachdem Jan sein Referat beendet hatte, erhielt er anerkennenden Beifall aus den Sitzbänken. Die Schüler klopften mit ihren Schreibwerkzeugen auf die Tischplatten. Martin hatte seinen rechten Schuh ausgezogen und bearbeitete den Tisch demonstrativ wie einst Nikita Chruschtschow mit dem Absatz. Selbstironisch verneigte sich Jan vor dem Publikum. Diese Geste konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sich sehr über die Anerkennung und über Petersens Worte freute.
„Ausgezeichnet!“, sagte dieser, „das war sozusagen deine Sternstunde. Vielen Dank für deine Ausführungen.“ Jan setzte sich wieder auf seinen Platz.
„Habt ihr noch Fragen zum Vortrag oder zur ganzen Thematik?“, wollte Petersen jetzt wissen.
„Wenn das man alles so stimmt, was wir gehört haben. Wie will man die Temperatur in der Sonne messen, wie die Materiebestandteile bestimmen und die Prozesse, die da ablaufen?“, fragte Ulli leicht provokativ.
Ulli war der Jahrgangsälteste, ein Privileg, das er sich ohne viel Mühe durch zweimaliges Sitzenbleiben erarbeitet hatte. Ulli war nicht besonders dumm, aber besonders faul. Er selbst hielt sich nicht für faul, sondern versuchte seine „Ressourcen
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