Das vertauschte Gesicht
Und dann? Soll ich Birgersson um staatliche Hilfe zum Abhören des Telefons bitten? Wozu das, Erik? Das gehört zu den Ermittlungen, Sture. Nur Kosten für die Ermittlungen.
Ihm fiel plötzlich ein, was Lareda Veitz gesagt hatte. Er sah Angelas Profil in der Tür. Er dachte an den Keller.
Er schlug sein Notizbuch auf und rief die Nummer von dem Büro an, in dem er eben gewesen war. Der Alte war noch da.
»Sie haben gesagt, in Ihrem Büro hat sich jemand aufgehalten und getrunken?«
»Genau.«
»Woher wissen Sie das?«
»Die Flasche war noch da. Es ist mehrere Male vorgekommen. Mehrere Flaschen.«
»Haben Sie die aufbewahrt?«
»Was heißt aufbewahrt, ich hab alle drei beiseite gestellt. Wollte sie morgen wegbringen.«
46
Winter zog Handschuhe an und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten. Es war das erste Mal, dass er in seinem Haus Beweismaterial sammelte. Die Welt rückte näher.
Er musste einige Minuten auf den Alten warten.
»Ich wusste ja nicht, dass es so wichtig ist«, sagte er und schloss auf. »Schauen Sie, hier. Keine Kratzer, soweit ich sehen kann.«
Winter nickte.
»Da hat die Polizei aber mal schnell reagiert, das muss ich schon sagen.« Der Hausmeister öffnete die Tür. »Sie nehmen wohl alles ernst.«
»Ja«, sagte Winter. Nein, dachte er. Dies war eine Reaktion, die er selbst nicht ganz verstand. Angelas Unruhe. Ein paar stumme Telefonanrufe. Jemand, der unerlaubt im Kellerverschlag saß und Limo trank. Ein Fall für Kriminalkommissar Erik Winter.
Es waren Zingoflaschen.
»Ich nehm sie mit«, sagte Winter und ergriff alle drei mit seiner behandschuhten Linken.
»Sie sind bestimmt schon mal Kellner gewesen«, sagte der Hausmeister.
Bergenhem erwachte und sah sich um. Wenn dies das Paradies war, dann sah es genauso aus wie die Welt, die er verlassen hatte.
Er konnte den Blick fokussieren. Es brannte nicht mehr wie vorher in seinem Kopf. Martinas Gesicht war deutlich, nah. Sie sagte etwas, aber er verstand sie nicht. Er versuchte sich aufzurichten. Sie wiederholte es:
»Lieg still, Lars. Du musst vorsichtig sein.«
Jemand in Weiß schwebte auf sie zu. Es könnte ein Engel sein, und irgendwie stimmte das. Er erkannte zuerst das Gesicht und dann die Stimme.
»Ich bin nur mal vorbeigekommen«, sagte Angela.
Ich auch, dachte er.
»Sie sehen besser aus.«
Ich hab keinen Vergleich, dachte er.
»Wo bin ich?«
»In einem Zimmer vom Sahlgrenska.«
Jetzt erinnere ich mich. Jetzt stelle ich die große Frage.
»Ist der Tumor weg?«
»Der Tumor?«
»Der Hirntumor. Haben Sie ihn entfernt?«
Vielleicht lächelte sie ein wenig. Sie sah einen anderen Engel in Weiß an, der zu nicken schien.
»Wir haben zunächst einen Verdacht auf Hirnhautentzündung gehabt. Aber es war der schlimmste Migräneanfall, den man sich vorstellen kann.«
»Migräne? Ich hab doch noch nie Migräne gehabt.«
Beier hatte die Flasche. Ich wusste gar nicht, dass es immer noch Zingo gibt, hatte er gesagt. Meinst du, das ist eine Botschaft für uns? Zingo? Winter wedelte abwehrend: end of messages.
Er hörte sich wieder Sacrament an und las in dem Textheft. Der Sänger watete im unteren Manhattan in Blut, schaffte es jedoch zum Glück, in den äußeren Kosmos abzuheben. Winter hatte es jetzt so viele Male gehört, dass er immer mehr Wörter ohne Hilfe des Textheftes verstand. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein.
Wenn er durch die Stadt ging, lauschte er nach Black Metal, das sich wie Raubtiergebrüll durch die Musikberieselung aus den Kaufhäusern oder Musikläden schlängelte. Er spitzte die Ohren, wenn jemand mit einem Walkman oder Discman vorbeiging. Es waren viele. Von außen klang alles gleich, wie ein methodisches eingesperrtes Surren. Er hörte es, wenn jemand die Ohrstöpsel herausnahm. Nie Black Metal. Aber immer laut.
Winter hatte noch nie auf diese Weise hingehört. Er wollte sich zu seiner Musik bewegen, sie aber in größerem Abstand haben statt direkt im Ohr. Wenn er jetzt genauer hinschaute, stellte er fest, dass einige Kollegen auch mit einem Discman zur Arbeit kamen.
Er hatte wieder mit Lareda gesprochen, nur kurz. Das Gespräch hatte in seinem Zimmer stattgefunden. »Ist er unterbrochen worden?« »Nein.«
»Was ist denn passiert?«
Lareda antwortete zunächst nicht. Sie stand am Fenster. Bald wurde es Februar, durchs Fenster war er schon zum Greifen nah. »Er ist irgendwohin unterwegs«, sagte sie. »Was bedeutet das?«
»Das weiß ich auch nicht genau.« Sie beobachtete den
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