Das vertauschte Gesicht
gleich groß, aber der Aufnahmeleiter war zehn Jahre jünger als Winter. »Kann noch einen Monat dauern. Vielleicht länger. Darüber müssen Sie mit dem Regisseur reden.«
Winter nickte.
»Haben Sie denn immer einen Überblick darüber, wo sich die... Requisiten befinden?«, fragte Ringmar.
»Tja... während der Aufnahmezeit hab ich keine hundertprozentige Kontrolle... nicht jede Sekunde.«
»Jemand könnte also eine Uniform mit nach Hause nehmen zwischen... den Aufnahmen oder wie das heißt?«, fragte Winter. »Ja... das wäre möglich.« »Ist das schon mal vorgekommen?«
»Ist es wohl. Wenn wir bis spät in die Nacht filmen und früh am nächsten Morgen weitermachen... ja... dann landen vielleicht nicht alle Uniformen nachts im Lager. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Okay.«
»Eins hab ich allerdings gemacht.« Der Aufnahmeleiter klemmte sich den Ordner unter den Arm und rieb seine Hände, um sie aufzuwärmen. »Sie müssen wissen, wir drehen auch draußen in den Vororten, und in ein paar Szenen sind Einwanderer dabei, ethnische Gruppen, die mit der Handlung zu tun haben.«
Winter nickte.
»Und ich will, dass es da keine Probleme gibt. Was ich sagen will... hier sind vierzig Polizisten in Uniform, und manchmal treten fast alle gleichzeitig auf... sagen wir mal, draußen in Hammarkullen oder Biskopsgarden, und ich will ja nichts riskieren, verstehen Sie? Dass irgendein Durchgeknallter etwas zu den Einwanderern sagt oder so. Die Gelegenheit wahrnimmt, sozusagen.«
»Sie meinen, dass ein Statist rassistische Sprüche loslassen könnte?«
»Genau.«
»Und?«
»Deshalb hab ich alle... wir können sie ja Polizeistatisten nennen... hab ich von allen die Namen und Ausweisnummern eingeschickt.« Er hielt den Ordner wieder in der Hand.«
»Eingeschickt? Zur Polizei geschickt, meinen Sie?«
»Ja. Zur Kontrolle sozusagen. Sicherheitshalber. Die Unterlagen sind bei Ihnen.«
Beier hatte das Ergebnis von dem DNA-Test vom SKL bekommen. »Es ist Bengt Martells Sperma.«
»Teufel, Teufel«, sagte Ringmar. Wer Wind sät, wird Sturm ernten, dachte er.
»Wie geht es der Frau?«, fragte Beier.
»Schlecht«, antwortete Winter.
»Immer noch mehr tot als lebendig«, sagte Ringmar.
»Ich mag solche Redensarten nicht«, sagte Beier. »Entweder ist man tot, oder man ist lebendig. Es gibt nichts dazwischen.«
»Hast du sie gesehen?«, fragte Ringmar.
»Nein.«
Ringmar war still, das Schweigen sprach für sich.
Winter brach es: »Die Elfvegrens kommen morgen wieder her.«
Winter rief bei Patrik zu Hause an. Sein Vater meldete sich so schnell, als hätte er neben dem Telefon gewartet. Winter stellte sich vor.
Er hatte beim Jugendamt nachgefragt. Die Familie war als asozial bekannt, aber es lag nichts wegen Kindesmisshandlung gegen sie vor.
Es war Winters Pflicht, seinen Verdacht auf Misshandlung zu melden. Es war seine Pflicht und Schuldigkeit. Trotzdem hatte er gezögert, hatte mit den Behörden gesprochen. Aber jetzt hatte er Anzeige erstattet. Er sagte nichts zu dem Mann.
»Ich möchte gern Patrik sprechen.«
»Können Sie uns nicht in Ruhe lassen?«
»Ist Patrik zu Hause?«
»Sie sind schon der zweite Bulle, der heute hier anruft und nach ihm fragt.«
»Wie bitte?« »Sogar der dritte.«
Die Ermittlung, dachte Winter. Die Ermittlung. Aber drei?
»Wie heißen die Kollegen?«
»Vergessen.«
»Hat Patrik mit den anderen gesprochen?« »Er ist nicht zu Hause.« »Kann ich jetzt mit ihm sprechen?« »Ich hab doch gesagt, er ist nicht da.«
Das Wetter war wieder klar, als sie nach Landvetter fuhren.
Am frühen Nachmittag war der Verkehr ruhig.
»Der Himmel ist heute blau wie in Spanien«, sagte seine Mutter. Sie drehte sich nach links und sah ihren Sohn an. »Ich komme wieder, wenn... das Kind da ist.«
Sie fuhren um den Terminal herum, und er parkte nahe dem Eingang. Dann holte er einen Gepäckwagen, und sie betraten die Abflughalle.
»Es scheint keine Verspätung zu geben«, sagte seine Mutter und brach in Tränen aus. Er nahm sie in die Arme.
»Es ist das erste Mal... das erste Mal, dass ich allein zurückfliege«, sagte sie mit dünner Stimme. Sie sah zu ihm auf. »Ich weiß, du möchtest, dass ich bleibe, aber ich muss fahren. Verstehst du das?«
»Ich verstehe es.«
»Papa ist doch... da unten.«
Winter sah das Grab, den Hain, den Berg, den Hügel, das Meer, die Erde.
»Er ist dort, und er ist... hier.«
»Natürlich, Erik.«
Das eine oder andere ist ungesagt geblieben, aber er ist hier,
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