Das vertauschte Gesicht
Kontinent käme. Er würde nicht dort sein. Sie waren überrascht worden. Er hatte sich umgedreht und war wieder gegangen.
Es geschah nicht zum ersten Mal.
Mit ihm stimmte etwas nicht. Er hatte geglaubt, es läge an ihnen, aber langsam begriff er, dass mit ihm etwas war.
Er versuchte, es zu unterdrücken. Jetzt war er hier. »Lacht nicht«, sagte er, »bitte, lacht nicht.« Sie sahen ihn beide an. Ihre Gesichter waren fleckig im blauen Lichtschein. Es sah aus, als wären ihre Stirnen tätowiert.
»Wir haben doch gar nicht gelacht«, sagte sie. »Hier lacht niemand.«
»Bitte lacht mich nicht aus.«
»Was zum Teufel ist eigentlich los mit dir?«, fragte der andere und richtete sich halb vom Sofa auf. »Nichts ist los.« »Ich glaub, du bist hier falsch.«
Der andere war jetzt ganz aufgestanden und wollte auf ihn zugehen. Sie war mit dem Glas in der Hand sitzen geblieben und beobachtete die Bewegungen der Körper auf der Mattscheibe.
»Ich hab Musik mitgebracht.«
»Was?«
»Ich hab gedacht, die könnten wir mal hören.« »Musik?« Der andere blieb beim Sofa stehen und zeigte auf den Fernseher. »Da läuft schon was. Oder ist dir das entgangen?«
»Gibt's einen Kassettenrecorder? Ich hab hier was Besonderes.« Er sah schon die Anlage rechter Hand, aufeinander gestapelte Geräte in einer hohen schwarzen Kiste mit Einlegebrettern. Er nahm die Kassette aus der Brusttasche und ging auf die Anlage zu. Sekundenlang sah er ein anderes Gesicht vor sich, wie einen schwebenden Kopf. Er kannte es. Er wusste, dass es etwas bedeutete. Jetzt war der Kopf weg. Der hatte keinen Körper gehabt. In seinem Hirn dröhnte bereits der Song, er wusste nicht, ob er aus seinem Hals kam und ob die anderen ihn hören konnten. Sein Kopf schwebte, näherte sich ihren Köpfen. Alles floss zusammen. Noch einmal sah er das Gesicht. Dann setzte die Musik richtig ein.
Es hatte angefangen zu dämmern, aber es war immer noch warm. Winter fuhr nach Marbella. Im Autoradio brüllte ein Flamencosänger seinen Schmerz heraus. Winter stellte das Radio lauter und drehte die Fensterscheibe herunter. Ein Geruch nach Benzin und Meer lag in der Luft. In einer Querstraße zur Uferpromenade, wo er das Auto parkte, roch es nach gebratenem Tintenfisch und Olivenöl. Er spürte, wie nass sein Rücken war, stieg aus dem Auto und schloss ab.
Das Hotel lag auf der Avenida Duque de Ahumeda nah am Strand. Winter musste eine Viertelstunde im Foyer warten und fuhr dann mit seinem Koffer in den zwölften Stock hinauf, um das Appartement anzusehen, ehe er sich eintrug, wie er es sich angewöhnt hatte.
Das Türschloss war locker. Die Wohnung bestand aus zwei Zimmern und Küche. In dem kleineren Zimmer waren die Fenster zum Balkon teilweise geöffnet, und der Wind zerrte an der blauweißen Markise dort draußen. Sie war zerrissen, von Sonne, Schatten und Salz fleckig geworden. Eine Lasche der Markise schlug gegen das Fenster. Winter ging näher und stellte fest, dass es ein Ostbalkon mit Blick auf ein anderes Hotel war. Er sah sich in dem größeren Zimmer um. Die Möbel aus imitiertem Leder waren einmal weiß gewesen.
Er ging ins Bad. Die Badewanne hatte um die Wasserhähne herum einen rostigen Rand. Im Waschbecken klebten Seifenreste. Er betrachtete sich im Badezimmerspiegel. In den letzten fünf Stunden war er hager und blass geworden.
Im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten traf er auf ein Paar in seinem Alter, das es vermied, ihn anzusehen. Die beiden hatten eine Fünf-Tage-Bräune und waren für einen Drink im Sonnenuntergang gekleidet.
»I don't like that room«, sagte Winter zu dem Mann an der Rezeption und hielt ihm den Schlüssel hin. Warum gerate immer ich in solche Situationen?, dachte er.
»Was ist daran nicht in Ordnung?«
»Ich möchte das Zimmer nicht. Gibt es ein anderes weiter unten?«
»Aber was stört Sie an dem Zimmer?«
»I DON'T WANT THAT FUCKING ROOM«, sagte Winter laut. »It's out of order.«
»Was funktioniert denn nicht?« Die Augen des Mannes waren dunkler geworden.
»Nichts funktioniert. Alles Mögliche kaputt. Das Bad ist schmutzig. Haben Sie ein anderes Zimmer?« »Nein. Wir sind ausgebucht.« »Wie lange?« »Auf Monate.«
»Können Sie mir ein anderes Hotel in der Nähe empfehlen?«
Winter hatte das Hotel nebenan gesehen, fand es aber nicht besonders ansprechend. Er war müde und verschwitzt und bedrückt. Er wollte ein angenehmes Zimmer, sich duschen , einen Whisky trinken und ein wenig nachdenken. »Nein«, antwortete der
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