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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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sie vermied, Ada anzusehen.
    »Nein, nein.«
    »Kannst du nicht zum Amtsarzt gehen? Das schaffst du morgen vor neun.«
    »Okay. Ich gehe.«
    Er streckte sich wieder nach Ada und hob sie hoch, und sie jubelte. Als er zu ihr hinaufsah, wurde ihm für den Bruchteil von Sekunden schwarz vor Augen, und er setzte sie wieder ab, fast blind.
    »Was ist, Lars?«
    »Mir ist schwindlig geworden.«
    »Himmel, jetzt gehst du aber zum Arzt.«
    »Wahrscheinlich ist das nur Migräne.«
    »Du hast doch noch nie Migräne gehabt.«
    »Was soll der Kommentar? Sag das jemandem, der MS kriegt.«
    »Das fand ich nun überhaupt nicht witzig.«
    »Dann hör auf zu nörgeln.«
    Er stieg aus dem Bett und verließ das Zimmer.
    »Der Kaffee ist fertig«, rief sie ihm nach, aber er antwortete nicht.
    Angela hatte Mantel und Stiefel angezogen und war gegangen, und er hatte sie nicht mit Gewalt zurückhalten können.
    Er hatte diesen verdammten Brief, der sich wie nasses Laub anfühlte, vom Fußboden aufgehoben. Der Briefkopf war verwischt, ein einziges dreckiges Geschmiere. Genau wie dieses Gespräch ein Dreck gewesen war. Der Streit.
    Nach sieben Minuten kam sie zurück, aber sie hatte keine Kopenhagener in einer Tüte dabei. Sie schüttelte sich die Stiefel von den Füßen und kam ins Wohnzimmer, wo er immer noch mit dem Brief in der Hand stand. Den Mantel hatte sie anbehalten, als ob es so den ganzen Abend weitergehen sollte, vor und zurück.
    »Liest du ihn wieder?«
    »Nein... «
    »Jetzt wirst du mir zum Teufel eine gute Erklärung liefern.« Sie riss sich den Mantel herunter, und der landete auch auf dem Fußboden. »Eine Erklärung, die stimmt.« Sie kam näher. »Kapierst du das, Erik? Ich will die Wahrheit hören und keine Beschönigungen oder eine verdammte Lüge.«
    »Du brauchst nicht so zu fluchen.«
    »Ich fluche verdammt noch mal so viel ich will.«
    »Okay. Okay.« Er sah sich im Zimmer um und legte den Brief dann auf den Sofatisch. »Wollen wir stehen bleiben, oder wollen wir uns setzen?«
    Sie ging zum Sofa und setzte sich. Er folgte ihr.
    »Jetzt hör mir zu«, sagte er zu ihrem Profil. Sie schaute zu dem elektrisch erleuchteten Himmel der Stadt hinaus. Obwohl sie nur so kurz draußen gewesen war, hatte sie Farbe bekommen in der Abendluft. »Diese Frau... war Übersetzerin bei der Polizei. Ich hab sie getroffen, als ich den Diebstahl von meiner Brieftasche angezeigt habe.«
    »Das ist ja ausgezeichnet.«
    »Was?«
    »Gut, sich auf diese Weise kennen zu lernen.« »Soll ich es nun erklären, Angela?« »Ja, bitte.« Sie zeigte ihm immer noch ihr Profil. »Ja... und dann bin ich ihr nochmal begegnet, als ich das Geld abholte. Es war der reinste Zufall. Wir sind uns vor der Bank begegnet.«
    »Vielleicht hat sie dich verfolgt? Beschattet?« »Angela, das ist ja paranoid.«
    »Paranoid? Ist das die Diagnose des Herrn Kommissar?« Sie drehte zum ersten Mal den Kopf und sah auf den Brief, der anfing zu trocknen und sich ein wenig aufrollte. Eine Papyrusrolle, dachte Winter. Die Schriftrollen des Toten Meeres. Darin kann man das Vergangene nachlesen. Es kann die Wahrheit sein oder Lüge, je nachdem, wie man es auslegt.
    »Und dann seid ihr einander nicht von der Seite gewichen. Bis ich kam«, sagte sie.
    »Angela. So war das nicht, und das weißt du.«
    »Wie war es dann? Ich warte.« Sie nickte wieder zum Brief. »Der handelt doch nicht davon, wie man sich zufällig vor einer Bank getroffen hat.«
    Winter schloss die Augen und sah dann aus dem Fenster, jetzt sah er nur den Abend, die Nacht.
    »An jenem Abend... in der Nacht, als mein Vater gestorben ist. Ich war so... verzweifelt. Traurig. Ich bin spät in mein Zimmer gegangen. Es war der Abend, bevor du gekommen bist. Ich saß auf dem Bett und alles war so... so hart irgendwie, als ob ich einen Fehler gemacht hätte, den ich nicht wieder gutmachen konnte. Oder als ob wir alle einen Fehler gemacht hätten. Oder beide.« Er sah sie an, und sie hörte zu. »Ich weiß nicht richtig, was ich eigentlich dachte. Aber ich konnte unmöglich in dem Zimmer bleiben und die Madonna an der Wand anstarren und den letzten Whisky aus dem Flugzeug austrinken. Wenn es einen Fernseher gegeben hätte... ich weiß nicht. Spanischer Fußball oder eine verrückte Talkshow. Ich weiß nicht. Ich konnte da nicht sitzen bleiben, also ging ich raus in die Altstadt.«
    »Und da saß sie und hat auf dich gewartet?«
    »So war es nicht. Es war wieder ein Zufall.« Sie drehte den Kopf, und er fuhr rasch fort: »Es

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