Das vertauschte Gesicht
»Nordisches Symbol für das Licht und die Festzeit der Freude.«
»Aha.«
Sie fuhren an den kleinen Villen entlang und parkten vor Elfvegrens Hecke. Die Villen waren in den fünfziger Jahren gebaut worden, als die Leute in engen Häusern wohnten, aber große Gärten hatten.
Der kleine Weihnachtsmann war mit Schnee bedeckt, und im Garten gab es keine Abdrücke von Schuhen. Aneta Djanali sah Spuren von Hasen und Katzen.
»Eine Luchsspur«, sagte sie und nickte zu der Spur links im Schnee.
»Löwe«, sagte Halders. »Die sind in diesem Jahr weit nach Norden gewandert.«
»Dieser ist im Zoo von Boräs geboren.«
»Woran erkennst du das denn?«
»Die Klauen zeigen nach innen«, sagte sie und klingelte beim Ehepaar Elfvegren.
Das Telefon klingelte. Angela wollte nicht drangehen, obwohl sie dem Telefon am nächsten war.
»Hallo Erik, hier Lotta. Hast du mit Mama gesprochen?«
»Ich hole sie in Landvetter ab.«
»Drei Tage noch bis Weihnachten. Es geht schnell.«
»Mhm.«
»Ich rechne Heiligabend mit Angela und dir.« »Klar.«
»Hast du schon Weihnachtsgeschenke gekauft?« »Nur Mamas Gin.«
»Mach jetzt keine Witze.«
Winter betrachtete Angelas Profil. Immer Angelas Profil. Er machte keine Witze.
»Ich schaff es immer erst in letzter Minute«, sagte er.
»Bims und Kristinas Listen hast du bekommen?«
»Per E-Mail. Sie waren ziemlich lang.«
»Genau wie die beiden selber.«
»Da müssen noch einige zehn Zentimeter hinzugekommen sein, seit ich sie zuletzt gesehen habe.«
Ein plötzlicher Wind hatte einige der Löwenspuren vor Elfvegrens Haus ausradiert. Es sah aus, als sei das Tier in seinen eigenen Spuren rückwärts gegangen.
»Wir müssen aufpassen«, sagte Halders, als sie wieder rauskamen.
Erika Elfvegren schloss die Tür hinter ihnen. Aneta Djanali spürte die Kälte wie eine Bewegung innerhalb ihres Lederkragens.
»Die wärmen nicht besonders«, sagte Halders. »Du hättest die Mäntel in früheren Zeiten erleben sollen. Das war noch was im Winterklima in so einem subarktischen Loch am Rand der Welt.«
»Was für eine schöne Beschreibung.« Sie setzten sich ins Auto und fuhren los. »Sie hatten zwei Aktuell Rapport unterm Sofa«, sagte Halders, als sie in den Kreisverkehr einbogen. »Aktuell was?«
»Aktuell Rapport. Schwedens meistgekauftes Sexmagazin. Oder heißt es meistverkauftes?« »Ach so.«
»Möchte mal wissen, warum.«
»Du hast die Zeitschriften also erkannt?«
»Ich kenne den Rücken. Oben ist ein ein Zentimeter breiter roter Streifen. Und das Logo war auch ein bisschen zu sehen.«
»Du kennst dich aber gut aus mit Sexmagazinen.«
»Ja. Aber falls du glaubst, ich kauf den Scheiß, dann täuschst du dich.«
»Ich glaub gar nichts.«
»Ist es normal, dass die Leute Pornodreck zu Hause haben?«, sagte Halders, aber mehr zu sich selbst.
»Keine Ahnung.«
»Ich glaub, das wird immer üblicher. Das gehört zu dieser Zeit. Alles ist in Auflösung. Die Leute lesen Schmuddelblättchen und gucken sich Pornos im Fernsehen an.«
»Vielleicht.«
»Jetzt werben sie abends in einem der Programme sogar für Sexspielzeug. Jeden Abend. Jeden verdammten Abend. Und das geht nun schon über ein Jahr so.«
»Woher weißt du das?«
»Was?« Halders sah Aneta Djanali an, als ob er aus einem Traum geweckt worden wäre.
»Wie kannst du dir so sicher sein?«, wiederholte sie lächelnd.
»Natürlich weil ich es prüfe. Die Dinge zu überprüfen, das ist doch immer eine Aufgabe, oder? Ich prüfe es zwei Sekunden, und ich werde wütend, und dann ist mein Tag gelaufen. Ich hätte sie gern gefragt«, fügte er hinzu.
»Was?«
»Das hübsche Paar Elfvegren. Ich hätte gern gefragt, ob das ihre Lieblingslektüre ist.«
»Vielleicht hast du noch Gelegenheit dazu.«
34
Lareda Veitz studierte die Fotos und hörte Winter zu. Sie hatte Teile der Berichte gelesen. Es war das zweite Mal, dass sie sich in den vergangenen zwei Wochen trafen. Sie saßen in Winters Zimmer. Die Gerichtspsychologin hatte betont, dass sie kein genaues Profil vorlegen konnte, aber bereit war, mit dem Fahndungsleiter über den Täter zu diskutieren. Es war nicht das erste Mal, dass Winter die Hilfe der Gerichtspsychologie in Anspruch nahm.
»Natürlich ist das eine Botschaft«, sagte sie und sah wieder auf. »Alles sind Botschaften, nur auf verschiedene Weise.«
»Man sollte es also ernst nehmen?« »In höchstem Grad. Was hast du denn gedacht?« »Ich weiß es wirklich nicht. Dies hier könnte ja auch eine Art Ablenkung
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