Das vertauschte Gesicht
sein.« »Das glaub ich nicht.« »Bist du sicher?«
»Natürlich nicht. Das hast du mich früher schon mal gefragt, und ich muss dir diesmal genauso antworten.«
»Okay. Man hat eben nur so viele Fragen.«
Sie schaute auf eins der Bilder zwischen ihnen auf dem Schreibtisch, hielt es dann hoch und strich mit dem Finger über die Hälse der beiden toten Menschen auf dem Sofa.
»Eine der Antworten könnte das hier sein«, sagte sie. »Die Antwort steckt im Tausch der Köpfe. Oder der Körper. Es könnte auch als Tausch von Körpern ausgelegt werden.«
Winter nickte. Lareda Veitz' Ton war neutral, konzentriert. Nur so war es möglich, dem Unaussprechlichen auf den Grund zu gehen. Winter hatte gebeten, keine Telefongespräche zu ihm durchzustellen, das Handy war auf Ringmar in das Zimmer zehn Meter entfernt umgeleitet.
Lareda Veitz legte das Foto auf den Tisch.
»Lass mich offen reden«, sagte sie. »Wir diskutieren darüber, okay? Aus verschiedenen Blickwinkeln. Dann können wir es zergliedern.« Sie nickte zu dem Aufnahmegerät, das neben dem Stapel Bücher und Bilder stand. »Und dann kannst du das Aufgenommene redigieren.«
»Klar.«
Winter kontrollierte, ob das Band lief.
»Er... wir sagen er... er könnte das Geschlecht gewechselt haben... und die Identität seiner Opfer. Eine der Antworten, von denen wir hier sprechen... liegt in dieser Tat. In dem Tausch.«
»Warum?«
»Ich bin nicht sicher, ob er es selber weiß, Erik. Wir müssen nach unbewussten Motiven suchen, warum er die Tat auf diese Weise ausgeführt hat.«
»Etwas anderes hat ihn gelenkt?«
»Etwas anderes in ihm selbst. Jemand anders als er selber.«
Winter nickte wieder, nahm eins der Fotos in die Hand und sah es an. Er hatte die Aufnahmen so häufig studiert, dass sie einen geradezu erschreckend alltäglichen Charakter bekommen hatten. Wie man mit den Bildern zu Hause an der Wand lebt oder den gerahmten auf dem Nachttisch. Aneta Djanali hatte von der neuen Gewaltwerbung im Studio der Haarkünstler erzählt, wo Louise Valker gearbeitet hatte. Mord als Verkaufsargument. Das fiel ihm jetzt ein. Er sah Louise Valkers Gesicht, das alle menschlichen Züge verloren hatte. Ihm wurde klar, dass er das Plakat selbst nicht gesehen hatte. Wie hatte es ausgesehen?
Wie genau hatte er die Verhöre von allen, die in dem Salon arbeiteten, gelesen?
»Einen Augenblick«, sagte er und griff nach seinem schwarzen Notizbuch. Er schrieb etwas und sah dann zu Lareda auf, die über etwas nachdachte. »Okay, Lareda.«
»Ich spekuliere mal ein bisschen«, sagte sie. »Er hat ein Brandzeichen hinterlassen... oder mehrere, die können in Beziehung zueinander stehen. Irgendwie stehen Schrift, Musik und... die Tat... in Beziehung.« Sie sah Winter an. »Es sind keine verzweifelten Botschaften.« Sie warf einen Blick auf das Aufnahmegerät. »Und sie sagen aus, dass er gestoppt werden will.«
»Ja.«
»Bist du auch schon darauf gekommen?«
»Ja. Er will, dass wir ihn von dem Elend befreien.«
»Die Tat selbst ist eine Angstreduktion. Wenn die Angst groß genug wird, wird das... Normale deformiert. Schließlich ist er gezwungen zu handeln, und er findet Ruhe. Eine vorübergehende Ruhe, denn die Angst setzt erneut ein, und alles beginnt von vorn.«
»Beginnt von vorn? Wird es also wieder passieren?« Winter sah zum Aufnahmegerät und sprach in seine Richtung. »Wenn wir ihn also nicht stoppen?« Er sah die Psychologin an. »Wenn wir ihm nicht helfen?«
»Ich glaube, wir haben es mit einer Person zu tun, die seit langem dabei war, psychotisch zu werden, das Ich wurde immer stärker fragmentisiert. Erscheinungen, Träume... schließlich muss er sie ausleben.«
»Er lebt seine Erscheinungen aus? Meinst du das?«
»Er kann früher ein Erlebnis gehabt haben, das all diesem zu Grunde liegt. Oder ein wichtiger Teil davon ist. Vielleicht schon vor langer Zeit. Vielleicht gerade erst kürzlich. Aber es ist zu schrecklich gewesen, als dass er es vergessen kann. Und gleichzeitig kann er sich nicht daran erinnern. Verstehst du, was ich meine?« »Ich glaube.«
»Und dann kommt alles über ihn.« Sie sah auf die Fotos, die im Sonnenschein, der durchs Fenster fiel, glänzten, in zwei Teile geteilt wurden von Sonne und Schatten. »Und am Ende inszeniert er sein Drama. Es entsteht ein Zwang, der ihn dazu treibt, sein Drama zu verwirklichen. Verstehst du? Eine innere Vorstellung wird im Äußeren gestaltet.«
»Was kann denn passiert sein?« Winter stand plötzlich auf und
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