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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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»Niemand kann über das Sonnenübel Voraussagen treffen«, antwortete er mit matter Stimme. »Es heißt, daß in den Zeiten früherer Geschlechter jede neue Sonne für fünf oder sechs Tage schien, bisweilen sogar sieben Tage lang. Heute jedoch ist selbst eine Sonne von nur vier Tagen eine Seltenheit. Und mit meinen eigenen Augen habe ich bisher nur einmal eine Sonne von weniger als drei Tagen gesehen.«
    »Also noch zwei Tage«, sagte Linden leise. »Guter Gott.«
    Für eine Weile schwiegen sie. Dann standen beide wie aufgrund stillschweigender Vereinbarung auf und fingen weiteres Holz für das Feuer zu suchen an. Indem sie durch das Gebüsch streiften, sammelten sie einen beträchtlichen Stapel Laub und Reisig. Anschließend streckte Sunder sich auf dem Untergrund aus. Linden dagegen blieb am Feuer hocken. Nach kurzem bemerkte Covenant trotz seines betäubungsähnlichen Zustands, daß sie ihn musterte. »Warum macht es dir so zu schaffen«, fragte sie ihn in einem Ton, der sonderbar vorsätzlich sachlich klang, »deinen Ring zu benutzen?«
    Covenants Schüttelfrost hatte nachgelassen; lediglich eisige Kälte längs seiner Knochen war zurückgeblieben. Doch seine Gedanken glichen Echos des Zorns. »Es ist schwer.«
    »In welcher Hinsicht?« Trotz ihrer ernsten Strenge spiegelte ihre Miene den Wunsch wider, ihn zu verstehen. Vielleicht hatte sie ein starkes Bedürfnis nach Verstehen. Covenant ersah in ihr eine lange Lebensgeschichte der Selbstbestrafung. Sie war eine Ärztin, die sich selber quälte, um andere zu heilen, als bestünde dazwischen ein wesentlicher und zwangsläufiger Zusammenhang.
    Auf die Komplexheit ihrer Frage gab er die einfachste Antwort, die er wußte. »Sittlich.«
    Für einen Moment betrachteten sie sich gegenseitig, versuchten einander zu begreifen. Da ergriff unerwartet der Steinmeister das Wort. »Nun endlich hast du etwas ausgesprochen, Ur-Lord«, sagte er leise, »das zu verstehen mir gegeben ist.« Seine Stimme schien aus dem feuchten Holz und den Flammen zu kommen. »Du fürchtest sowohl die Stärke wie auch die Schwäche, die Macht ebenso wie den Mangel an Macht. Du fürchtest die Notlage, aber auch die Hilfe aus der Not. So wie ich. Ich bin Steinmeister und kenne mich gut aus mit solcher Furcht. Ein Steinhausen vertraut dem Steinmeister all sein Leben an. Doch eben im Namen dieses Lebens, des Vertrauens, muß er das Blut der ihm anvertrauten Menschen vergießen. Die Vertrauen haben, müssen geopfert werden, um das Vertrauen rechtfertigen zu können. So wird Vertrauen zu einer Sache von Leben und Tod. So habe ich denn mein Heim geflohen ...« – das bloße Beben von Klage in seinem Ton unterstrich seine bereits früher geäußerten Vorwürfe – »um einem Weib und einem Mann zu dienen, denen ich nicht zu vertrauen vermag. Ich weiß nicht, wie ich euch vertrauen können soll, und daher bin ich frei von der Bürde des Vertrauens. Zwischen uns ist nichts, das mir Grund gäbe, euer Blut zu vergießen. Oder mein Leben zu opfern.«
    Während er Sunders Stimme und dem Knistern des Feuers lauschte, verlor Covenant einiges von seiner Furcht. Er empfand so etwas wie ein Gefühl der Verwandtschaft mit Sunder. Dieser mürrische, von Selbstzweifeln zermürbte Steinhausener hatte viel ertragen und dennoch so vieles von sich selbst bewahrt. Nach einem ausgedehnten Moment entschied sich Covenant dafür, das zu akzeptieren, was Sunder gesagt hatte. Er konnte unmöglich jeden Preis allein zahlen. »Na schön«, wisperte er in die Büsche wie das Säuseln des leichten abendlichen Windes. »Morgen abend kannst du das Feuer machen.«
    »Wohlgesprochen«, erwiderte Sunder ruhig.
    Covenant nickte. Bald darauf schloß er die Lider. Seine Müdigkeit ließ ihn neben dem Feuer auf den Erdboden sinken. Er wollte schlafen. Doch da beanspruchte Linden seine Aufmerksamkeit. »Es reicht einfach nicht«, sagte sie unfreundlich. »Dauernd wiederholst du, daß du die Absicht hast, gegen das Sonnenübel zu kämpfen, aber du bist kaum dazu imstande, ein Feuer zu entzünden. Genausogut könntest du dich davor fürchten, zwei Holzstöckchen aneinanderzureiben. Ich hätte gern eine bessere Antwort.«
    Covenant verstand, was sie meinte. Das Sonnenübel – stark genug, um die Natur selbst nach Belieben Martern zu unterziehen – konnte sicher nicht durch etwas so Läppisches wie einen Ring aus Weißgold beseitigt werden. Er mißtraute der Macht, weil keine Macht je groß genug sein konnte, um ihm seine Herzenswünsche zu

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