Das verwundete Land - Covenant 04
der Gnade des Mithil vollkommen ausgeliefert.
Covenant warf sich, ans Holz gekrallt, in ununterbrochener Furcht vor den Blitzen umher, weil er damit rechnete, irgendwann müsse ein Blitz das Floß treffen, ihn und seine Begleiter einäschern. Doch dieser tödliche Schlag fuhr nie herab. Später am Tag verschaffte so ein Blitz ihnen sogar eine unvermutete Atempause. Flußabwärts zuckte ein blauweißer Blitzstrahl in ein Wäldchen aus ungeheuer groß gewachsenem Eukalyptus. Einer der Bäume brannte wie eine Fackel.
Sunder schrie seine Leidensgenossen an. Mit vereinten Kräften wuchteten sie das Floß zum Ufer, verließen den Fluß und eilten zu den Bäumen. Es erwies sich als unmöglich, sich dem in Flammen aufgegangenen Baum zu nähern; doch wenn ein brennender Ast vor ihnen herunterfiel, benutzten sie Stücke anderen, abgestorbenen Geästs, um ihn aus der Gefahrenzone unterhalb des Baumes zu ziehen. Dann nährten sie die Glut mit Strauchwerk, Splittern geborstener Baumstämme und so groß wie Sensen geratenen Eukalyptusblättern, bis die Flammen heiß genug brannten, um dem Regen zu widerstehen.
Der brennende Baum und ihr Lagerfeuer verströmten ihre Hitze wie einen Segen. Der Erdboden war hoch mit Laub bedeckt, das für Covenant und seine Gefährten die weichste Bettstatt abgab, die sie seit Tagen gehabt hatten. Einige Zeit nach Sonnenuntergang brach der Baum zusammen, aber er stürzte nach einer anderen Seite; danach konnten sie sich ohne Sorge der Nachtruhe hingeben.
Sunder weckte Covenant und Linden sehr früh zu Beginn der morgendlichen Dämmerung, so daß sie ausreichende Gelegenheit zur Einnahme des Morgenmahls erhalten würden, bevor erneut die Sonne aufging. Der Steinmeister legte merkliche Angespanntheit und Zerstreutheit an den Tag, erwartete offenbar einen Wechsel des Sonnenübels. Nachdem sie gegessen hatten, suchten sie das Flußufer auf und machten dort ein Stück ebenen Felsbodens ausfindig, auf das sie sich stellten, um das Licht des Morgens zu erwarten. Sie sahen durch die entlaubten, geschwärzten Bäume die Sonne ihren ersten Schimmer über den Horizont werfen.
Sie wirkte verderbt, so feurig und rot war sie; ihr Strahlenkranz glich einer Dornenkrone, und sie erzeugte eine schwüle Wärme, die sich deutlich von der starken Intensität der früher kennengelernten Sonne der Dürre unterschied. Die Korona machte einen heimtückischen, schädlichen Eindruck. Lindens Augen zuckten bei ihrem ersten Anblick. Und Sunders Gesicht war außerordentlich bleich. Unwillkürlich vollführte er mit beiden Händen irgendeine Schutzgeste. »Die Sonne der Seuchen«, sagte er gedämpft; seine Stimme klang brüchig. »Ach, in der Tat haben wir Glück. Wäre diese Sonne der Sonne der Dürre gefolgt, oder der Sonne der Fruchtbarkeit ...« Was er ursprünglich zu äußern beabsichtigt hatte, erstickte in seiner Kehle. »Doch nun, nach einer Sonne des Regens ...« Er seufzte. »Fürwahr ein Glück.«
»Inwiefern?« wollte Covenant wissen. Er verstand die Einschätzung seines Begleiters nicht. Mit Mark und Bein sehnte er sich nach der Wohltat eines klaren, trockenen Tages. »Was bewirkt diese Sonne?«
»Bewirkt?« knirschte Sunder. »Was bewirkt sie nicht? Sie ist wahrhaft Furcht und Schrecken des ganzen Landes. Stille Gewässer stocken vollends. Was wächst, das fault und zerfällt. All jene, die etwas essen oder trinken, was nicht den Schutz des Schattens genossen hat, werden mit einer Krankheit geschlagen, die nur wenige überleben und von der niemand mehr ganz gesundet. Und die Insekten ...!«
»Er hat recht«, flüsterte Linden, als sei ihr Mund selbst von Entsetzen voll. »O mein Gott!«
»Der Mithil ist's, durch dessen Nähe wir von Glück Rede führen können, denn sein Fließen wird nicht zum Stillstand kommen. Er wird weiter Wasser führen – sowohl aus seiner Quelle wie auch dank des Regens –, bis abermals eine Sonne der Dürre aufgeht. Und auch in anderer Weise wird er uns ein Rückhalt sein.« Das Rot, das sich in Sunders Augen widerspiegelte, verlieh ihm das Aussehen eines furchtsamen Tieres. »Dennoch vermag ich den Anblick einer solchen Sonne nicht ohne Zagen zu ertragen. Zu dieser Zeit verbergen die Steinhausener sich in ihren Häusern und beten, daß die Sonne nur zwei Tage lang scheinen möge. Mich drängt's danach, ebenso Schutz zu suchen. Inmitten der Weite der Welt bin ich heimatlos und winzig, und die Sonne der Seuchen fürchte ich mehr als alles andere im Land.«
Sunders offenes
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