Das verwundete Land - Covenant 04
sie Einlaß begehrt hatte, gingen auf der Veranda Laternen an. Dr. Berenford öffnete die innere Tür, schloß sie hinter sich und kam durch die Veranda, um Linden einzulassen.
Er lächelte zur Begrüßung; doch er mied ihren Blick, als habe er Anlaß zu Befürchtungen; und in den Tränensäcken unter seinen Augenhöhlen konnte sie seinen Pulsschlag pochen sehen.
»Dr. Berenford«, sagte sie grimmig.
»Bitte!« Er vollführte eine bittstellerische Gebärde. »Julius.«
»Dr. Berenford.« Sie war sich nicht sicher, ob ihr an der Freundschaft dieses Mannes lag. »Wer ist sie?«
Sein Blick glitt unstet umher. »Sie?«
»Die Frau, die ich in seinem Haus schreien gehört habe.«
Berenford war anscheinend völlig außerstande, ihr ins Gesicht zu blicken. »Er hat Ihnen also nichts verraten«, sagte er mit leiser, matter Stimme.
»Richtig.«
Dr. Berenford überlegte für einen Moment, dann winkte er Linden in die Richtung der beiden Schaukelstühle, die am einen Ende der Veranda standen. »Bitte, nehmen Sie Platz. Hier draußen ist's kühler.« Seine Gedanken schienen abzuschweifen. »Diese absonderliche Hitzewelle kann ja wohl nicht ewig dauern.«
»Doktor!« fuhr sie ihn an. »Er quält diese Frau!«
»Nein, keineswegs.« Plötzlich zeigte der ältere Arzt Unmut. »Schlagen Sie sich das unverzüglich aus dem Kopf! Er tut für sie, was er nur kann. Was es auch ist, das sie quält, er ist es nicht.«
Linden erwiderte seinen mißmutigen Blick, bis sie die Überzeugung verspürte, daß er Thomas Covenants Freund war, mochte er nun der ihre sein oder nicht. »Dann erzählen Sie mal«, forderte sie in sachlichem Tonfall.
Nach und nach nahm seine Miene wieder den Ausdruck gewohnheitsmäßiger Ironie an. »Möchten Sie sich nicht setzen?«
Mit schroffem Gebaren schritt sie die Veranda hinab und ließ sich in einem der Schaukelstühle nieder. Sofort schaltete Berenford die Laternen aus, und Dunkelheit fiel durch die Abschirmung auf die Veranda. »Im Dunkeln kann ich besser denken.« Bevor sich Lindens Augen der Veränderung anpaßten, hörte sie den anderen Schaukelstuhl an ihrer Seite quietschen, als er sich hineinsetzte.
Eine Zeitlang blieben das gedämpfte Klagen seines Schaukelstuhls und das Gezirpe der Grillen die einzigen vernehmlichen Geräusche. »Einige Dinge werde ich Ihnen nicht sagen«, meinte er unvermittelt. »Zum Teil, weil ich's nicht kann, und teilweise, weil's nicht geht. Aber Sie haben sich jetzt in dieser Geschichte engagiert. Ich bin Ihnen einige Auskünfte schuldig.«
Danach sprach er weiter wie eine Stimme der Nacht; und sie lauschte ihm in angespanntem Zustand, halb mit ihrer Aufmerksamkeit bei ihm, so wie sie sich auf Patienten, die Symptome beschrieben, zu konzentrieren pflegte, halb mit ihren Gedanken bei der Erinnerung an jenen hageren, ungestümen Mann, der sie mit soviel Verwunderung und Pein gefragt hatte: Weshalb Sie?
»Vor elf Jahren war Thomas Covenant ein Autor mit gerade einem Bestseller, einer reizenden Frau mit Namen Joan und einem Söhnchen namens Roger. Der Roman gefällt ihm nicht mehr – heute nennt er ihn unreif –, aber die Frau und das Kind liebt er noch immer. Oder jedenfalls nimmt er das an. Ich persönlich bezweifle es. Er ist ein Mann mit starkem Treuegefühl. Was er Liebe nennt, würde ich jedoch eher als Anhänglichkeit ans eigene Leid bezeichnen. Und ebenfalls vor elf Jahren hat sich also eine Infektion an seiner rechten Hand als Leprose herausgestellt, so daß ihm zwei Finger amputiert werden mußten. Man hat ihn ins Leprosorium in Louisiana eingewiesen, und seine Frau hat sich von ihm scheiden lassen, weil Roger nicht in der Gemeinschaft mit einem Leprakranken aufwachsen sollte. Wie Covenant es darstellt, war ihre Entscheidung ganz und gar verständlich und einleuchtend. Natürliche Sorge einer Mutter um ihr Kind. Ich glaube, daß er sich das einredet. Ich bin der Ansicht, daß sie nichts als blanke Furcht hatte. Wie ich annehme, hat die Vorstellung, was Hansens Krankheit aus ihm machen könnte – ganz zu schweigen von ihr und Roger –, sie zu sehr entsetzt. Sie ist praktisch weggelaufen.« Sein Tonfall verriet ein gleichzeitiges Achselzucken. »Aber das sind bloß Vermutungen. Tatsache ist, sie hat die Scheidung eingereicht, und er war damit einverstanden. Nach ein paar Monaten konnte seine Erkrankung zum Stillstand gebracht werden, und er kam zurück zur Haven Farm. Allein. Das war für ihn keine gute Zeit. Sämtliche Nachbarn zogen weg. Einige Leute in
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