Das verwundete Land - Covenant 04
– und zwar auf eine Art und Weise, die die Gefahr für seine Freunde nicht erhöhte. Er beschloß, mit Memla so etwas wie einen Waffenstillstand einzugehen. »Na gut«, sagte er und mäßigte die Grobheit seines Tonfalls. »Ich will's dabei belassen – bis auf weiteres. Aber ich möchte, daß dir auch etwas klar ist. Ich habe nichts gegen Sivit unternommen, bis er mich angegriffen hat.« Er erinnerte sich überhaupt nicht an jene Situation; allerdings war ihm ohnehin nicht an kleinlicher Genauigkeit gelegen. »Er hat mich gezwungen«, bluffte er im Interesse seiner Sicherheit. »Ich wollte bloß die Sonnenseherin.«
Er erwartete, sie werde fragen, was er mit der Sonnenseherin im Sinn gehabt hatte. Daher überraschte ihn ihre nächste Äußerung. »Sivit hat vermeldet, du hättest einen kranken Eindruck erweckt.«
Ein Frösteln ging über Covenants Rücken. Vorsichtig , ermahnte er sich. Schön vorsichtig. »Ein Fieber«, erwiderte er in komplexer Unehrlichkeit. »Vom Sonnenübel. Ich war gerade dabei zu gesunden.«
»Ferner hat Sivit berichtet«, sagte die Frau, »du würdest von einem Mann und einem Weib begleitet. Der Mann war ein Steinhausener, das Weib dagegen sei allem Anschein zufolge eine Fremde im Lande.«
Covenant nahm allen Mut zusammen und entschied, es in diesem Fall mit der Wahrheit zu versuchen. »Ein Gefolgsmann hat sie gefangengenommen. Na-Mhoram-In Santonin. Ich folge ihnen seit Tagen.«
Er hoffte, ihr irgendwelche Informationen entlocken zu können; aber sie reagierte mit einem Stirnrunzeln. »Santonin? Er ist seit vielen Tagen von Schwelgenstein abwesend ... Doch ich glaube nicht, daß er irgendwelche Gefangenen gemacht hat.«
»Drei hat er«, erklärte Covenant schroff. »Er kann mir nicht mehr als zwei Tage voraus sein.«
Memla überlegte für einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Wären deine Gefährten seine Gefangenen, hätte er durch seinen Rukh davon den Sehern Mitteilung gegeben. Ich bin eine na-Mhoram-In. Ein solches Wissen würde mir nicht vorenthalten.«
Ihre Worte verursachten ihm das unangenehme Gefühl, nun völlig ratlos dazustehen – gefangen in einem Netz von Unwahrheiten, ohne jede Chance, sich ihm zu entwinden. Wer war hier der Betrüger? Die Steinmeisterin von Steinhausen Kristall? Memla? Oder Santonin, der möglicherweise das Bruchstück des Weltübel-Steins für sich zu behalten gedachte? Sein Unvermögen, die Wahrheit zu erkennen, zermürbte ihn wie ein Schwindelanfall. Mühsam bewahrte er eine ausdruckslose Miene, rang darum, nichts von seinen Schwierigkeiten durchblicken zu lassen. »Meinst du etwa, ich denke mir so was nur aus?«
Entweder war Memla eine leidenschaftliche Falschspielerin oder eine tapfere Frau. »Ich glaube«, versetzte sie mit fester Stimme, indem sie Covenants Blick standhielt, »du hast bislang von deinem tatsächlichen Begleiter geschwiegen.« Mit einem Nicken wies sie auf Hohl. Der Dämondim-Abkömmling hatte, seit er beim Feuer stehengeblieben war, keinen Muskel bewegt.
»Er und ich«, gab Covenant zur Antwort, »wir haben einen Handel abgemacht. Ich spreche nicht über ihn, und er redet nicht über mich.«
Memla verengte die Lider. »Du bist ein Rätsel, Halbhand«, sagte sie bedächtig. »Du betrittst Steinhausen Kristall mit zwei Begleitern. Du entziehst Sivit eine Sonnenseherin. Du entfaltest Macht. Du verschwindest. Sowie du dich wieder zeigst, schneller dahingeeilt als der Wind, sind deine drei Gefährten fort, und an ihre Stelle ist dies schwarze Wunder getreten. Und doch forderst du Vertrauen. Ist's deine Macht, die dich mit solcher Anmaßung versieht?«
Anmaßung, so? knurrte Covenant im geheimen. Ich werde dir Anmaßung zeigen. Trotzig zog er den Rukh aus dem Gürtel und warf ihn Memla zu. »Na gut«, schnauzte er. »Sprich mit Schwelgenstein. Richte aus, daß ich auf dem Weg bin. Und daß ich jeden, der meinen Freunden was antut, zur Verantwortung ziehen werde!«
Memlas Verblüffung ließ sie zögern. Sie sah den Eisenstab an, dann wieder Covenant, sich darüber im unklaren, wie sie sein Benehmen einzuschätzen habe. Schließlich gelangte sie zu einem Entschluß. Nahezu widerwillig schob sie den Rukh unter ihre Robe. »Wie du wünschst«, sagte sie und seufzte, straffte ihre schwarze Kasel. Plötzlich spiegelte ihr Blick Härte wider. »Wenn deine Gefährten in der Tat nach Schwelgenstein verbracht worden sein sollten, will ich für ihr Befinden die Verantwortung auf mich nehmen.«
Ihre Entscheidung
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