Das verwundete Land - Covenant 04
mir!« Der riesige Schatten schob sich fortgesetzt näher, drängte Covenant zum Lagerfeuer. Als er den Helligkeitskreis des Feuers betrat, konnte er das immense Vieh nach und nach besser sehen. Es hatte den Kopf und die Fänge eines Säbelzahntigers, wogegen der lange Rumpf dem eines Pferdes ähnelte – allerdings eines Pferdes, dessen Schultern sich in Covenants Kopfhöhe befanden, und einem Rücken, der fünf bis sechs Reitern Platz bot –, und das Fell war so zottelig, daß es dem Tier bis zu den Knien hing. An den Füßen waren Hufe. Aus der Rückseite jedes Knöchels ragte ein mit Widerhaken besetzter Sporn von der Länge einer Schwertlilie. Die Augen der Bestie glommen aus Bösartigkeit rot, und in ihrem Knurren schwang Wut mit. Covenant wich so hastig zurück, wie es sich machen ließ, ohne in die Reichweite der Gefolgsfrau zu gelangen. Hohl folgte ihm in aller Ruhe, dem Tier den Rücken zugewandt. »Halbhand«, rief die Gefolgsfrau mit rauchiger Stimme und merklicher Überraschung. »Ich bin ausgeschickt worden, um deiner zu harren, doch hätte ich nicht gedacht, dir so bald zu begegnen.« Sie schwieg für einen Moment. »Du brauchst Din nicht zu fürchten«, fügte sie dann hinzu. »Es ist wahr, die Landläufer sind Geschöpfe des Sonnenübels. Andererseits jedoch bedürfen sie aus demselben Grunde keines Fleischs. Und sie werden von klein auf zum Gehorsam erzogen. Din wird weder Fänge noch Sporne wider dich wenden, solange ich's ihm nicht ausdrücklich befehle.«
Covenant sorgte dafür, daß das Feuer zwischen ihn und die Frau geriet. Sie war eine stämmige, untersetzte, nicht besonders große Person mit knolliger Nase und einem Kinn, das von Resolutheit zeugte. Ihr Haar war achtlos in ihrem Nacken verknotet, als interessiere sie sich nicht für Details ihres Äußeren. Ihr Blick jedoch zeichnete sich durch die Direktheit langjähriger Hingabe an die Pflicht aus. Das schwarze Tuch, das ihr um die Schultern hing, stattete die Vorderseite ihrer roten Robe mit einer gewissen rituellen Feierlichkeit aus, als sei sie ein Meßgewand. Covenant hegte gegen die Frau uneingeschränkten Argwohn. Nichtsdestotrotz zog er es vor, sich mit ihr einzulassen, statt mit ihrem Landläufer. »Das will ich erst gesehen haben.« Insgeheim verfluchte er die Unsicherheit seiner Stimme. »Schick das Biest fort.«
Sie musterte ihn über die Flammen hinweg. »Wie du wünschst.« Sie nahm den Blick nicht von ihm. »Geh, Din«, sagte sie. »Wache und hüte!« Das Tier ließ ein Brummen der Enttäuschung vernehmen. Trotzdem drehte es sich um und trollte sich hinaus in die Nacht. »Bist du zufrieden?« erkundigte sich die Gefolgsfrau in gleichmäßigem Tonfall.
Covenant antwortete mit einem Rucken seiner verkrampften Schultern. »Es hört auf deine Befehle.« Er blieb vollauf wachsam. »Was erwartest du, wie sehr das mich zufriedenstellen soll?«
Sie betrachtete ihn, als sähe sie Grund, ihn zu fürchten, wolle sich davon jedoch nichts anmerken lassen. »Du mißtraust mir, Halbhand. Mich dagegen will's dünken, das Recht zum Argwohn ist auf meiner Seite.«
»Wie kommst du darauf?« fragte er barsch nach.
»In Steinhausen Kristall hast du na-Mhoram-Wist Sivit seines rechtmäßigen Anspruchs auf Blutopfer beraubt und ihn beinahe erschlagen. Doch sei gewarnt.« Gegen ihren Willen verriet ihre Stimme nun ihre innere Beunruhigung. »Ich bin na-Mhoram-In Memla. Solltest du darauf sinnen, mir zu schaden, sei dessen gewiß, daß ich nicht so leicht zu überwinden bin.« Ihre Hände umklammerten den Rukh , aber sie hob ihn nicht.
Covenant verkniff sich eine ärgerliche Entgegnung. »Steinhausen Kristall liegt etwa hundertfünfzig Längen von hier entfernt. Woher weißt du, was dort passiert ist?«
Die Frau zögerte für einen Moment, beschloß dann, ihm zu antworten. »Durch die Vernichtung seines Rukh verlor Sivit seine Macht. Aber das Geschick eines jeden Rukh wird zu Schwelgenstein bekannt. Man sandte sofort einen anderen Gefolgsmann, der sich zufällig in jener Gegend aufhielt, zu seiner Unterstützung. Dann sprach jener Gefolgsmann durch seinen Rukh mit Schwelgenstein, so daß man dort von dem Geschehnis erfuhr. Ich wußte darüber Bescheid, ehe man mich ausschickte, um dich zu erwarten.«
»Ausschickte?« wiederholte Covenant. Mal langsam , dachte er. Eins nach dem anderen. »Wieso? Woher wißt ihr, daß ich nach Schwelgenstein unterwegs bin?«
»Wohin sonst als nach Schwelgenstein sollte die Halbhand mit dem Ring aus Weißgold
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