Das verwundete Land - Covenant 04
aufrechthalten. Selbst die Wärme des Krill unter seinem Gürtel war mittlerweile in seinem allgemeinen Empfinden aufgegangen. Aber Sunder war sein Freund. Der Steinmeister hatte bereits zuviel für ihn geopfert. Covenant suchte im Gewirr seiner Unzulänglichkeit und Zerbrechlichkeit und gab die erste Antwort, die er fand. »Der na-Mhoram ist ein Wütrich. Wie Marid.«
Damit jedoch stellte er Sunder nicht zufrieden. »Das hat Linden Avery auch gesagt. Doch die Sonnengefolgschaft hat das Sonnenübel zum Wohle des Landes beeinflußt, und nun ist dieser Einfluß geschwächt worden.«
»Nein.« Irgendwo in seinem Innern entdeckte Covenant nochmals ein Moment der Kraft. »Die Gefolgschaft hat nie etwas getan, um das Sonnenübel zu bändigen. Sie hat es benutzt, um dem Land zu schaden, hat das Sonnenübel mit Blut genährt. Die Sonnengefolgschaft dient seit Jahrhunderten Lord Foul.«
Sunder starrte ihn an; Unglaube verzerrte sein Gesicht wie Schmerz. Covenants Behauptung verstieß gegen alles, was er je geglaubt hatte. »Covenant ...!« Bestürzung entstellte seine Stimme. Seine Hände vollführten flehentliche Gesten. »Wie kann das die Wahrheit sein? Das ist zuviel. Woher soll ich wissen, daß das die Wahrheit ist?«
»Weil ich sage, daß es wahr ist.« Die Aufwallung von Kraft verging und ließ Covenant todmüde zurück. »Ich habe für die Wahrsagung mit meinem Blut bezahlt. Und ich war schon einmal vor viertausend Jahren hier. Als das Land noch gesund war. Was die Gefolgschaft lehrt, ist bloß etwas, das sie ausgeheckt hat, um all das Blutvergießen zu rechtfertigen.« Ein entlegener Teil seines Innern sah, was er tat, und protestierte dagegen. Er setzte sich selbst mit der Wahrheit gleich, übernahm dafür die Verantwortung. Sicherlich konnte kein Mensch ein derartiges Versprechen einhalten. Hile Troy hatte es versucht – und infolgedessen seine Seele an den Forsthüter der Würgerkluft verloren.
»Und warum ...« Sunder rang um Verständnis. Seine Gesichtszüge zeigten Entsetzen über die Bedeutung dessen, was Covenant offenbart hatte, ein Entsetzen, das sich zusehends in Zorn verwandelte. »Und warum kämpfst du dann nicht? Weshalb bringst du keine Vernichtung über die Sonnengefolgschaft, wenn sie ein solches Greuel ist, und bereitest dem Übel ein Ende?«
Covenant sank gegen Brinn. »Ich bin zu schwach.« Er hörte kaum noch die eigene Stimme. »Und ich habe wieder getötet ...« Zuckungen der Pein verzerrten seine Miene. Einundzwanzig Menschen! »Ich hatte geschworen, nie wieder zu töten.« Doch um Sunders willen unternahm er eine weitere Anstrengung, dem Ausdruck zu verleihen, was er glaubte. »Ich will nicht mehr gegen sie kämpfen, bevor ich aufgehört habe, sie zu hassen.«
Bedächtig nickte der Steinmeister. Das Knattern des Feuers schwoll in Covenants Ohren zu einem Brausen an. Während eines kurzen Moments der Benommenheit hielt er Sunder für Nassic. Nassic mit jungen, geistesklaren Augen. Auch der Steinmeister war zu Dingen fähig, die Covenant demütigten.
Ringsherum herrschte Geschäftigkeit. Menschen machten sich zum Aufbruch fertig. Sie entboten Covenant ihren Gruß; aber seine Entkräftung gestattete ihm keine Reaktion. Eskortiert von rund zwanzig Haruchai , verließen sie die Vorhügel. Er schaute ihnen nicht nach. Er befand sich am Rande der Besinnungslosigkeit und mußte ums Durchhalten und Überdauern ringen. Eine Zeitlang schien er in den warmen Luftschwallen des Feuers dahinzutreiben. Da plötzlich merkte er, wie Brinns Arme ihn drehten, ihn behutsam rüttelten. Er riß die Augen weit auf, zwang seine Lider über die Müdigkeit und Aufgerauhtheit seines Blicks aufwärts und sah Memla.
Sie stand voller Grimm vor Covenant. Ihre Kasel war fort, und die Robe war stellenweise versengt. Das vom Altern angegraute Haar hing ihr zerzaust auf die Schultern. Brandblasen verunstalteten ihre rechte Wange; ihr grobes Gesicht war fleckig. Aber ihre Augen bezeugten Zorn, und sie hielt ihren Rukh bereit. Hinter ihr hatten sich fünf riesige Landläufer der Sonnengefolgschaft niedergelassen. Brinn nickte zu ihr hinüber. »Na-Mhoram-In Memla«, sagte er tonlos, »der Ur-Lord hat auf dich gewartet.«
Memla ging mit einer Geste auf Brinns Äußerung ein, ohne den Blick von Covenant zu wenden. Ihre barsche Stimme brachte ihren Zorn ebenso zum Ausdruck, wie sie ihn mäßigte. »Ich kann mit Lügen nicht leben. Ich werde dich begleiten.« Covenant fand keine Worte. Stumm drückte er die rechte Hand auf
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