Das verwundete Land - Covenant 04
Ja, bei Gott , dachte Covenant. Voller Trotz.
Mit charakteristischer gleichmütiger Bedächtigkeit reichte Brinn Covenant einen Schlauch mit Metheglin . Covenant hob ihn zwischen sich und seinen Freunden an den Mund, so daß sie sein Gesicht nicht sehen konnten, und trank ihn leer. Dann begab er sich in die Finsternis rings um den Güldenblattbaum und bediente sich der Nacht, um sich zu verbergen. Nach einem Weilchen streckte er sich inmitten all dessen aus, was er verloren hatte, und schloß die Augen.
Brinn weckte ihn in der Morgendämmerung, sorgte dafür, daß er rechtzeitig vorm zweiten Aufgehen der Sonne der Seuchen auf den Füßen stand, so daß seine Stiefel ihn schützten. Seine Gefährten waren bereits aufgestanden. Sunder, Hollian und Memla hatten steinernen Untergrund aufgesucht; die Haruchai beschäftigten sich mit den Vorbereitungen für ein Morgenmahl; Linden blickte der nahen Helligkeit entgegen. Ihr Gesicht war wider die eigene Verletzlichkeit verschlossen; aber als sie Covenant bemerkte, nahmen ihre Augen düster von ihm Kenntnis. Nach der Auseinandersetzung des vorangegangenen Abends empfand er ihre Kenntnisnahme beinahe wie ein Lächeln. Covenant fühlte sich gekräftigt. Doch mit einer gewissen Erholung kehrte auch seine Furcht zurück. Der Zorn des na-Mhoram ...
Memla erweckte den Eindruck, als habe sie diese Furcht während der ganzen Nacht nicht vergessen. Ihre gealterten Gesichtszüge waren von Anspannung zerfurcht, und ihre Hände, die den Rukh hielten, zitterten sichtlich. »Noch immer stärkt er ihn und gibt sich nicht zufrieden«, sagte sie gedämpft zur Antwort auf Covenants Blick. »Es wird ein Zorn werden, um unsere Seelen selbst zu zerreißen.« Für einen Moment ruhten ihre Augen auf Covenants Miene, als bedürfe sie der Ermutigung. Sofort jedoch wandte sie sich ruckartig ab, rief barsche Worte, um die Gefährten zur Eile zu ermahnen.
Binnen kurzem befand die kleine Truppe sich wieder unterwegs, ritt im Tempo eines flotten Handgalopps den Pfad entlang, den Memla mit Hilfe des Sonnenfeuers durch das Grün bahnte. Ihre Dringlichkeit und Covenants gespannte Sorge steckten die Steinhausener an, verfehlten nicht einmal auf Linden ihre Wirkung. Die Gefährten ritten stumm dahin, als spürten sie den Zorn bereits wie eine ihnen in den Rücken gedrückte Klinge.
Die Ausdehnung des Dschungels unter der Sonne der Seuchen gab Covenants Ahnung bevorstehenden Unheils zusätzlichen Auftrieb. Insekten umschwirrten ihn wie Manifestationen von Krankheiten. Jeder verkrüppelte Strauch und Busch schwärmte nur so von deformierten Insekten. Manche Bäume waren so stark belagert von Termiten, die wie Stränge von Adern an ihnen hinauf- und hinabeilten, daß sie geradezu leprös aussahen. Und der Geruch nach Fäulnis war mittlerweile sehr deutlich zu bemerken. Unter der Herrschaft des Sonnenübels taten Covenant die Eingeweide weh, und er rechnete halb damit, die Vegetation werde aufplatzen und zu eitern anfangen. Die Zeit schien sich dahinzuschleppen. Neue Schwäche kroch durch Covenants Muskeln. Als die Gefährten schließlich in die Wohltat des Sonnenuntergangs ritten, pochten Covenant der Nacken und die Schultern von der Anstrengung des ständigen Umdrehens und Ausschauens nach irgendwelchen Anzeichen für den Zorn . Schaudern durchlief das Mark seiner Knochen. Sobald Memla in einem nachgerade megalithischen Eukalyptushain einen Lagerplatz ausgesucht hatte, ließ sich Covenant vom Rücken des Reittiers auf den Erdboden rutschen und hoffte, auf dem Granit unter der Erde irgendwie einen festen, sicheren Stand finden zu können. Aber seine Füße und Hände waren zu gefühllos, um irgend etwas zu empfinden.
Ringsherum stiegen seine Begleiter ab. Nahezu unverzüglich ging Linden zu Hollian. Die Haut in Lindens Gesicht war bleich und straff, als wäre sie zu fest um ihren Schädel gespannt. Sie trat zielstrebig zu der Sonnenseherin, mußte dann jedoch um Worte ringen. »Die Insekten«, murmelte sie. »Der Geruch. Das ist noch schlimmer. Viel schlimmer als jede andere Sonne. Ich kann unmöglich alles aus meiner Wahrnehmung ausschließen.« Ihre Augen beobachteten die Art und Weise, wie sich ihre Hände ineinander verklammerten, als wäre es nur diese Verklammerung, die sie vorm Zerbrechen bewahrte. »Ich kann nicht ... Wie wird's morgen sein?«
Sunder hatte sich den beiden genähert. Als Linden verstummte, nickte er grimmig. »Niemals in meinem ganzen Leben bin ich während einer Sonne der
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