Das verwundete Land - Covenant 04
Prophezeiungen, die sich im Selbstlauf erfüllen sollte. Auch das erklärte Covenant, und er hoffte, Linden würde den Blick heben, ihn ansehen, zu verstehen versuchen. Aber sie tat es nicht. Ihr Mund verzog sich zu einem Ausdruck unerbittlicher Strenge; doch sie bewahrte ihre einsame Zurückhaltung. Nicht einmal, als er näher erläuterte, wie seine Toten in Andelain in ihm den Keim zu seinem Entschluß gepflanzt hatten, sich auf die Suche nach dem Einholzbaum zu machen, um einen neuen Stab des Gesetzes anfertigen und gegen Lord Foul und das Sonnenübel ohne Verleugnung seiner Prinzipien kämpfen zu können, reagierte sie irgendwie. Schließlich verstummte Covenant, weil es ihm an weiteren Worten fehlte.
Eine Zeitlang schwiegen seine Gefährten mit ihm. Niemand stellte Fragen; allem Anschein nach mochten sie angesichts der Qualen, die er durchgestanden hatte, nicht genauer in ihn dringen. Zuletzt ergriff Sunder das Wort. Um Covenants Bericht zu ergänzen, erzählte er, was Linden, Hollian und ihm widerfahren war, nachdem Covenant Andelain aufgesucht hatte. Er berichtete von Santonin und der Steinmacht, beschrieb den Bann, mit dem der Gefolgsmann sie belegt hatte, schilderte seinen und Hollians Versuch, Gibbon einzureden, Covenant sei tot oder verschollen. Darüber hinaus jedoch hatte er wenig zu erzählen. Man hatte ihn in eine Zelle mit wenig Nahrung und Wasser und noch weniger Hoffnung geworfen. Hollians Schicksal war gleichartig gewesen. Beide hatten den Tumult vernommen, der entstand, als Covenant das erste Mal in den Kerker eindrang, sonst aber nichts.
Daraufhin dachte Covenant, Linden werde bestimmt etwas sagen, ihren Teil beitragen, um die Darstellung der Vorgänge zu vervollständigen. Doch sie tat nichts dergleichen. Sie verbarg das Gesicht an ihren Knien und saß zusammengekauert da, als erwehre sie sich der Erinnerung an eine Auspeitschung. »Linden.« Wie sollte er sie sich selbst überlassen können? Er mußte die Wahrheit von ihr erfahren. »Nun weißt du, wie Kevin Landschmeißer zumute gewesen sein muß.« Kevin Landschmeißer, der letzte aus Bereks Geschlecht. Ich glaube nicht an das Böse , hatte Linden gesagt. Kevin hatte ebenfalls versucht, nicht daran zu glauben. Unbeabsichtigt war er dem Land in den Rücken gefallen, weil es ihm nicht gelungen war, Lord Fouls wahre Natur rechtzeitig zu durchschauen, und auf diese Weise hatte er dem Verächter den Weg zum Sieg frei gemacht. Und er selbst verfiel dadurch der Verzweiflung. Aufgrund dessen, was er getan hatte, forderte er den Verächter zum Ritual der Schändung heraus, in der Hoffnung, indem er das Land verwüstete, auch Lord Foul vernichten zu können. Auch darin jedoch hatte er einen Mißerfolg erlitten. Er zertrümmerte das Land, das er liebte, und verlor den Stab des Gesetzes; Lord Foul jedoch überdauerte. All das erzählte Covenant. »Verstehst du?« meinte er eindringlich, um sich endlich bei Linden Gehör zu verschaffen. »Verzweiflung ist keine Lösung. Sie ist es, wovon Foul lebt. Was dir auch geschehen ist, es darf mit dir nicht so weitergehen.« Linden, hör auf mich! Aber sie beachtete ihn nicht; ihr ließ sich nicht einmal anmerken, ob sie ihn überhaupt hörte. Hätte Covenant nicht die Schatten der Pein gesehen, die hinter ihren Augen wallten, er hätte zu glauben vermocht, sie wäre in die Bewußtlosigkeit zurückgesunken, in die Gibbon sie versetzt gehabt hatte. Sunder saß mürrisch dabei, als könne er sich zwischen dem für Linden empfundenen Mitgefühl und seinem Verständnis für Covenant nicht recht entscheiden. In Hollians dunklen Augen standen Tränen. Brinn und Cail beobachteten Covenants Bemühungen, als stünden sie für Hohls Gleichgültigkeit Modell. Keiner von ihnen bot Covenant irgendeine Unterstützung an. Schließlich versuchte er es anders. »Linden, schau Hohl an.« Linden! »Sag mir, was du siehst.« Sie reagierte nicht. »Ich weiß nicht, ob ich ihm vertrauen darf oder mißtrauen muß. Mir fehlt deine Sicht. Du mußt mir sagen, was er ist.« Sie regte sich nicht. Aber ihre Schultern krampften sich zusammen, als schreie sie tief in ihrem Innern. »Der alte Mann.« Drangsal und Furcht verliehen Covenants Stimme einen erstickten Klang. »An der Haven Farm. Der Alte, dem du das Leben gerettet hast. ›Bleib getreu‹, hat er zu dir gesagt.«
Linden zuckte auf. Ihr Kopf ruckte hoch, sie blickte Covenant aus Augen an, die so voller Kränkung waren, als wäre sie mit ihrem gesamten Ich in all das geballte Elend
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