Das verwundete Land - Covenant 04
Glutgestein lag nach allen Himmelsrichtungen ausgebreitet, als fände er nirgends ein Ende. Feuerschein verdüsterte den Himmel, verfärbte sein Gewölbe im prachtvollen Glanz geschmolzenen Erzes. Durch die Dunstschleier wirkte die Korona der Sonne wie ein Außenring aus Weißglut. Die gesamte weite Savanne glich einem riesenhaften Kohlenbecken; die Landläufer schienen eine besondere Art von Hölle zu durchqueren. Aber Sunder hatte den Rukh gemeistert. Solange er lebte, würden die Reittiere keine Schwierigkeiten bereiten. Und in der Tat verursachten sie keinerlei Probleme. Sie stürmten dahin, als wären sie in Flammen geboren worden. Geschwind und unermüdlich ließen sie Kilometer um Kilometer hinter sich, als würden sie abgestorbenes Laub einem Feuerofen überantworten. Covenants Atmung klang wie Geschluchze, nicht weil er keine Luft bekommen hätte, sondern weil sie ihm die Lungen versengte. Vor seinem inneren Auge erschienen Gedankenbilder des Glimmermere-Sees, von kühlem Naß, angereichert mit Erdkraft. Seine Knochen pulsierten vor Gier nach Wasser. Und die Landläufer galoppierten unablässig immer weiter.
Als sie vom Glutgestein auf harten Erdboden gelangten, bewirkte die Abruptheit des Übergangs, daß sich die trockene Luft unter der Sonne der Dürre wie eine wahre Wohltat anfühlte. Covenants Kopf ruckte hoch. Erleichterung fuhr ihm in die Brust wie ein Polarwind. Im nächsten Augenblick preschten die Landläufer über totes, von der Sonne verbackenes Erdreich, wirbelten Staubwolken auf. Das Leuchten des Glutgesteins blieb zurück; unvermittelt zeichnete das Gelände sich wieder durch Eigenschaften, Stofflichkeit und Sinngehalt aus.
Als sich Covenants Sicht geklärt hatte, sah er voraus Hohl. Der Dämondim-Abkömmling stand wie ein schwarzes Verhängnis am Ufer eines Bachs, dessen wasserloses Bett sich quer über den Weg der Reiter schlängelte. Die stumpfgrauen eisernen Bänder, die als einziges vom Stab des Gesetzes verblieben waren, betonten seine mitternächtliche Gestalt. Er schaute den Landläufern entgegen, während sie auf ihn zudonnerten, als hätte er auf sie gewartet. Er war allein.
Allein? Covenant ließ sich achtlos von Clashs Rücken purzeln, als das Tier ruckartig zum Stehen kam. Er landete ziemlich unglücklich auf den Füßen, so daß er sofort der Länge nach in den Dreck stürzte. Er wälzte sich herum, sprang auf und ging auf Hohl los. »Was hast du mit ihr gemacht?!« Hohl regte sich nicht. Covenant prallte gegen den Dämondim-Sproß und taumelte zurück, als wäre er gegen eine Mauer aus Obsidian gerannt. Im darauffolgenden Moment kam aus dem Bachbett Hergrom zum Vorschein. Anscheinend war er unversehrt, wenngleich das Glutgestein sein Gewand angekohlt hatte.
»Sie ist hier«, sagte er ausdruckslos, als wolle er sich nicht dazu herbeilassen, über Covenants wüstes Benehmen ein Urteil zu fällen. »Im Schatten.« Covenant hastete an ihm vorbei und sprang in den ausgetrockneten Bachlauf; der Sprung war nicht tief; Covenant fiel in Sand, fuhr herum, schaute nach Linden aus.
Sie lag auf dem Rücken im Schatten der Böschung. In der Trübnis des Schattens wirkte ihre Haut leicht gerötet; sie war dem Glutgestein recht nahe gewesen. Covenant sah sie so deutlich, als wäre sie seinem Augenlicht eingeprägt worden: ihre wie von einem Sonnenbrand verfärbte Haut, die schweißigen Strähnen ihres weizenblonden Haars, die einer Narbe vergleichbare Falte des Stirnrunzelns zwischen ihren Brauen, das einem Protest gegen das Leben ähnelte, das sie geführt hatte. Sie befand sich mitten in neuen Konvulsionen. Ihre Fersen stampften im Sand; ihre Finger wühlten an ihren Seiten den Untergrund auf; Zuckungen warfen ihren Leib hin und her, krümmten ihren Rücken. Das Grinsen eines Totenschädels verunstaltete ihr Gesicht. Gedämpfte Keuchlaute wimmerten ihr wie Fetzen von Pein durch die Zähne. Covenant warf sich neben sie, packte ihre Schultern, um ihre Arme festzuhalten. Er bekam keinen Ton heraus, vermochte in seiner Panik kein Wort hervorzubringen. Sunder und Hollian stießen zu ihm, gefolgt von Harn und Hergrom. Einen Moment später gesellten sich Brinn, Ceer und Stell dazu, die Cail trugen; auch ihn hatte jetzt ein neuer Anfall heimgesucht.
Sunder legte eine Hand auf Covenants Schulter. »Die Krankheit des Sonnenübels ist's«, sagte er leise. »So sehr ich's bedauere, doch sie kann nicht überleben.«
Lindens Wimmern verwandelte sich in ihrer Kehle in ein Geröchel, das nach
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