Das verwundete Land - Covenant 04
gewaltige Anstrengung, seine Hände soweit zu beruhigen, daß er nur ein paar Tropfen durch Lindens Zähne träufeln konnte. Anschließend beobachtete er wie in Trance – in Furcht und Hoffen –, wie sie sich abmühte, um zu schlucken. Ihr Rücken krümmte sich, dann erschlaffte sie schlagartig, als habe sie sich die Wirbelsäule gebrochen. Covenants Blick verdüsterte sich; die ganze Welt schien durch seinen Kopf zu trudeln. Sein Verstand verwandelte sich in das Sausen und Brausen von Kondorschwingen. Er vermochte nichts mehr zu begreifen, konnte nicht denken, bis er auf einmal ein Flüstern Lindens vernahm. »Jetzt Cail.«
Diesmal reagierten die Haruchai augenblicklich. Daß sie um den Sachverhalt von Cails Krankheit wußte, bewies ihnen, daß sie tatsächlich mit klarem Geist sprach. Brinn nahm den ledernen Schlauch, eilte an Cails Seite. Mit Stells Unterstützung zwang er durch Cails zusammengebissene Kiefer einiges vom Voure in die Kehle des Kranken.
Ganz allmählich, Muskel um Muskel, entspannte sich Lindens Körper. Ihre Atmung ging leichter; an ihrem Hals entkrampften sich die Muskelstränge. Einer um den anderen lockerten sich ihre Finger. Covenant ergriff ihre Hand, umschloß mit seinen Händen ihre abgebrochenen Fingernägel, und beobachtete, wie die Verkrampfung langsam aus ihrer Gestalt wich. Ihre Beine sanken der Länge nach matt im Sand ein. Covenant hielt Lindens Hand, weil er keine Ahnung hatte, ob sie sich erholte oder starb. Dann jedoch erhielt er Aufschluß, als Brinn zu ihm kam. »Der Voure ist wirksam«, sagte der Haruchai ohne Betonung. »Cail wird genesen.« Covenant stieß einen leisen Seufzer der Erleichterung aus.
23
Die Sarangrave-Senke
Covenant betrachtete Linden, während sie schlummerte – so menschlich und gebrechlich –, bis kurz nach Sonnenuntergang. Dann weckte er sie im Licht eines von den Haruchai entfachten Lagerfeuers. Sie war zu schwach, um feste Nahrung zu sich nehmen zu können, deshalb flößte er ihr mit Wasser verdünnten Metheglin ein. Sie gesundete wirklich zusehends. Selbst seine oberflächliche Wahrnehmung konnte sich darin nicht täuschen. Sobald sie wieder eingeschlafen war, streckte er sich in ihrer Nähe im Sand aus und fing fast sofort an zu träumen.
Ihm kamen Träume, in denen wilde Magie wütete, wild und unwiderruflich destruktiv. Nichts ließ sich aufhalten, und jedes Aufbersten von energetischer Macht geschah zum diebischen Vergnügen des Verächters. Covenant gedieh zu einem Verwüster der Welt, einem Kevin Landschmeißer von einer Größenordnung, in der er alle vorstellbaren Schändungen übertraf. Das weiße Feuer entsprang der Leidenschaft, die ihn zu dem machte, was er war, und er konnte nicht ...!
Die frühmorgendlichen Betätigungen seiner Begleiter weckten ihn rechtzeitig vor Anbruch der Dämmerung. Trotz der Kühle der Nacht, die über der Ödnis lag, in Schweiß gebadet, stand er auf und schaute umher. Die schwelende Asche des Lagerfeuers enthüllte ihm, daß Linden bereits wach war; sie saß mit dem Rücken an der Böschung. Wortlos kümmerte Hergrom sich um sie, gab ihr zu essen. Sie erwiderte Covenants Blick. Im unzureichenden Licht vermochte er ihre Miene nicht zu erkennen; er hatte keinerlei Vorstellung, in welchem Verhältnis sie beide sich nun eigentlich zueinander befanden. Doch die gleichzeitige Bedeutsamkeit und Unkenntlichkeit ihres Gesichts zog ihn an. Er kauerte sich vor ihr nieder, musterte ihre Gesichtszüge. »Ich habe gedacht«, meinte er unterdrückt, als sei das eine Erklärung seines Verhaltens, »du wärst erledigt.«
»Und ich habe gedacht«, antwortete sie mit beherrschter Stimme, »ich würd's nicht mehr schaffen, 's dir begreiflich zu machen.«
»Ich weiß.« Was hätte er sonst sagen können? Doch die Unzulänglichkeit seiner Entgegnungen beschämte ihn. Er fühlte sich so sehr dazu außerstande, wirklich ihr Inneres anzusprechen.
Aber während er noch mit seinen Beschränktheiten rang, hob Linden ihm eine Hand entgegen, berührte seinen zottigen Bart. »Damit siehst du erheblich älter aus.« Ihre Stimme klang nun eher kloßig. Ein Haruchai machte sich daran, das Feuer neu anzufachen. Roter Schimmer spiegelte sich in Lindens Augen, als ob glühende Kohlen ihren Glanz verstärkten, Flämmchen im Innern ihres Bewußtseins. Sie sprach weiter, widersetzte sich den Emotionen, die ihr die Kehle einengten. »Du wolltest, daß ich mir Hohl ansehe.« Sie nickte in die Richtung des Dämondim-Abkömmlings,
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