Das verwundete Land - Covenant 04
Todeskampf klang, als ob sie Covenants Namen stöhne. Linden! Inwendig jammerte Covenant vor sich hin. Ich kann dir nicht helfen! Unvermittelt riß sie die Augen auf, starrte ihn an, schaute ihm über den Krampf hinweg, der ihre Zähne entblößte, ins Gesicht. »Cove...« Ihre Kehle bemühte sich um das Wort, während die Muskeln sich zusammenkrampften und lockerten. Ihre aufeinandergepreßten Zähne glichen dem Gitter eines Visiers. Im Delirium glänzten ihre Augen überwiegend vom Weiß. »Hilf ...«
Die Anstrengung, die Linden aufbot, um zu sprechen, wrang Covenant das Herz. »Ich weiß nicht ...« Seine Stimme erstickte. »Ich weiß nicht wie.«
Lindens Lippen spannten sich, als wolle sie die Zähne ins Fleisch seiner Wangen schlagen. Die Stränge an ihrem Hals zeichneten sich so hart ab, als wären sie Knochen. Mit ungeheurer Wildheit trotzte sie der Heftigkeit ihres Anfalls ein Wort ab. »Voure.«
»Was?« Covenant klammerte sich regelrecht an sie. »Voure?«
»Gib ...« Lindens extreme Qual marterte Covenant wie eine Schwertwunde. »... Voure.«
Meinte sie den Saft, den man zum Verscheuchen von Insekten benutzte? Covenants Augen waren trocken wie im Fieber. »Du delirierst.«
»Nein.« Die Eindringlichkeit des geächzten Wortes durchfuhr die Luft wie eine Bö. »Denke ...« Ihr wüster, weißlich-starrer Blick forderte, flehte. Unter Aufbietung selbst der äußersten Reste ihrer Entschlossenheit rang sie darum, Wörter durch ihre Kehle zu zwängen. »... klar.« Die Mühsal verstärkte ihre Zuckungen. Ihr Körper bäumte sich gegen Covenants Gewicht auf, als wäre sie lebendig begraben. »Ich ...« Einen Moment lang zerfloß ihre Stimme zu erneutem Gewimmer. Aber sie gab den Kampf nicht auf. »... fühle«, preßte sie heraus.
Sie fühlt? Covenant schnaufte ratlos. Was fühlte sie?
»Voure.«
Für noch einen gräßlichen Moment stand er lediglich kurz davor, sie zu verstehen. Dann begriff er. Sie fühlte! »Brinn!« schnauzte er über die Schulter. »Hol den Voure! « Sie fühlte. Linden konnte fühlen. Sie besaß den ihr vom Land geschenkten Unterscheidungssinn für Wohl und Übel; sie konnte die Natur ihrer Krankheit erkennen, ihre Art genau durchschauen; und ebenso den Voure einschätzen. Sie wußte, was sie brauchte. Der Blickwinkel ihres Starrens schreckte Covenant auf. Mit einem Ruck bemerkte er, daß niemand sich regte, Brinn ihm nicht gehorchte.
»Covenant«, sagte Sunder leise und schmerzlich, »Ur-Lord ... Sie ... Ich flehe dich an, gewähre meinen Worten Gehör. Das ist die Krankheit des Sonnenübels. Sie weiß nicht, was sie da redet. Sie ...«
»Brinn.« Covenant sprach ziemlich gedämpft, aber seine von neuem entflammte Leidenschaft brachte Sunders Überzeugungsversuche ohne weiteres zum Verstummen. »Ihr Geist ist klar. Sie weiß ganz genau, was sie sagt. Bring den Voure .«
Noch immer kam der Haruchai der Aufforderung nicht nach. »Ur-Lord«, entgegnete er, »der Steinmeister besitzt von dieser Krankheit Kenntnis.«
Covenant mußte Lindens Arme loslassen, die Hände zu Fäusten ballen und sie sich gegen die Stirn drücken, um zu verhindern, daß er in Gebrüll ausbrach. »Der einzige Grund ...« Seine Stimme leierte, als schwanke hoch im Wind ein Kabel. »... aus dem Kevin Landschmeißer dazu in der Lage war, das Ritual der Schändung zu vollziehen, alles Leben im Land auf Jahrhunderte hinaus zu vernichten, lag darin, daß die Bluthüter dabeistanden und ihn einfach machen ließen. Er hatte ihnen befohlen, nichts zu unternehmen, und weil er Wissen besaß, gehorchten sie. Für den Rest ihres Daseins war ihr Eid mit einem Makel befleckt, ohne daß sie's gewußt hätten. Sie merkten nicht mal, daß sie Dreck am Stecken hatten, als Lord Foul sie mit der Nase hineinstieß. Erst als er ihnen zeigte, daß er sie dazu bringen kann, ihm zu dienen, haben sie's gemerkt.« Foul hatte drei von ihnen Covenant ähnlich gemacht. »Wollt ihr nun bloß hier herumlungern und noch mehr Menschen sterben lassen?« Urplötzlich verlor er die Beherrschung. Er hieb die Fäuste in den Sand. »Hol den VOURE! «
Brinn blickte Sunder an, dann Cail. Eine Sekunde lang zögerte er noch. Zu guter Letzt jedoch sprang er aus dem Bachlauf und begab sich zu den Landläufern. Er kam fast im Handumdrehen zurück, brachte Memlas Lederschlauch mit dem Voure . Mit einem Gebaren des Desinteresses, als lehne er jede Verantwortung ab, reichte er ihn Covenant. Zittrig entstöpselte Covenant den Schlauch. Es kostete ihn
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