Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
rechte Arm machte eine Gebärde, deren Endgültigkeit wirkte wie ein Befehl zu sofortiger Hinrichtung.
    Unverzüglich fiel der noch einigermaßen bei Kräften befindliche Fanatiker mit dem Dolch erneut auf die Knie. Er beugte sich über Joan und entblößte ihre Kehle. Schlaff lag Joan unter ihm, in ihrer Zerbrechlichkeit allem ausgeliefert und ohne Schutz verloren. Die Haut an ihrem Hals glänzte im Feuerschein wie ein Flehen um Beistand. Indem er schlotterte, als wäre er hemmungslos begierig oder selbst voller Grausen, drückte der Mann seine Klinge gegen Joans weißliche Kehle. Die übrigen Versammelten in der Mulde glotzten jetzt mit leeren Blicken seine Hände an. Ihr Interesse an Covenant war anscheinend gänzlich dahin. Ihr Schweigen war gräßlich. Die Hände des Mannes bebten.
    »Halt!« Covenants Zuruf schnitt durch die Luft wie eine Sense. »Ihr habt genug getan. Laßt sie gehen!«
    Die unheilvollen Augen der Gestalt im Feuer richteten sich auf ihn, erfaßten ihn mit einem Blick voller Verunglimpfung. Der Fanatiker an Joans Kehle schaute aus bleicher Miene auf. »Sie gehen lassen?« krächzte er. »Warum?«
    »Weil ihr das nicht auch noch zu tun braucht.« Zorn und Flehentlichkeit machten Covenants Stimme schwerfällig. »Ich weiß nicht, wodurch ihr zu alldem getrieben worden seid. Ich habe keine Ahnung, was mit eurem Leben schiefgegangen ist. Aber ihr braucht's nicht zu tun.« Der Mann blinzelte nicht einmal; mit absichtsträchtiger Bedächtigkeit krallte er seine freie Hand in Joans Haar. »Also gut!« schnauzte Covenant ohne Zögern. »Na gut. Ich bin einverstanden. Ich mache den Handel mit. Mich gegen sie.«
    »Nein.« Linden hatte laut rufen wollen, aber über ihre Lippen drang kaum ein Flüstern. »Nicht.«
    Die Fanatiker blieben so stumm wie Grabsteine. Langsam erhob sich der Mann mit dem Messer. Anscheinend war nur er dazu fähig, Triumph zu empfinden. »Es ist, wie der Meister vorausgesagt hat«, meinte er und verzog das Gesicht zu einem barbarischen Grinsen. Er trat zurück.
    Im selben Augenblick ging ein Zittern durch Joan. Sie hob den Kopf, starrte umher. Ihre Miene war frei von jeder Besessenheit. Mit unbeholfenen Bewegungen stand sie auf. Furchtsam und verwirrt suchte sie nach einem Fluchtweg, nach irgend etwas, das sie begreifen konnte. Sie erblickte Covenant. »Tom!« Sie sprang von der Gesteinsfläche und lief zu Covenant, warf sich in seine Arme.
    Er drückte Joan, umschlang sie mit verkrampften Armen, als könne er es nicht ertragen, sie wieder loslassen zu müssen. Aber dann schob er sie nachdrücklich von sich. »Geh nach Hause«, sagte er im Befehlston. »Es ist vorbei. Du bist jetzt außer Gefahr.« Er drehte sie in die entsprechende Richtung und drängte sie zum Gehen. Sie zauderte und schaute ihn an, bat ihn stumm, mit ihr zu kommen. »Mach dir um mich keine Sorgen.« Gequälte Sanftheit mäßigte seinen Ton. »Du bist nicht mehr in Gefahr – das ist momentan am wichtigsten. Es wird alles gut werden.« Irgendwie brachte er ein Lächeln zustande. Nur seine Augen legten von seiner inneren Pein Zeugnis ab. Der Feuerschein warf Schatten der Selbstverleugnung auf seine von Blutergüssen verdunkelten Gesichtszüge. Und doch widerspiegelte sein Lächeln soviel Tapferkeit und Bedauern, daß sein Anblick Linden schier das Herz zu zerreißen drohte.
    Auf den Knien, den Kopf gesenkt, heiße Tränen auf ihren Wangen, ahnte Linden mehr, daß Joan die Mulde verließ, als es zu sehen. Linden vermochte nicht mitanzuschauen, wie Covenant den Hang vollends hinabstieg. Ich bin der einzige , hatte er versichert, der ihr helfen kann. Er ging in eine Art von Freitod.
    Freitod. Lindens Vater hatte Selbstmord begangen. Ihre Mutter hatte um den Tod gebettelt. Lindens Widerwille gegen derartige Dinge waren eine Triebkraft ihres Daseins geworden. Aber Thomas Covenant hatte sich dafür entschieden, in den Tod zu gehen. Und er hatte gelächelt. Um Joans willen. Noch nie hatte Linden erlebt, daß jemand für einen anderen Menschen soviel tat. Und sie konnte es nicht erdulden. Es klebte schon zuviel Blut an ihren Händen. Sie schüttelte sich die Tränen aus den Augen und blickte auf.
    Covenant trat in die Mitte der Versammlung, als befände er sich jenseits jeder Hoffnung. Der mit dem Dolch bewaffnete Mann führte ihn zu dem Dreieck aus Blut. Die faulig-gelben Augen der Gestalt im Feuer leuchteten lebhafter. Es war schlichtweg zuviel. Mit einem leidenschaftlichen Ruck durchbrach Linden den Bann ihrer inneren

Weitere Kostenlose Bücher