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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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reagierte nicht auf diese Äußerung. Er sprach weiter, als wäre seine Stimme längst auf Beerdigung programmiert. »Die Frau wird geopfert, sobald der Vollmond am Himmel steht. Es gilt Sünde zu tilgen. Wenn nicht du, dann wird sie büßen. So lautet das Gebot des Herrn über Tod und Leben. Wirst du kommen?«
    Geopfert? Fassungslos starrte Linden ins Haus. Tilgung von Sünden? Eine Aufwallung von Entrüstung durchlief ihre Haut wie ein Hitzeschauer. Herrgott, was ...?
    Covenants Schultern wölbten sich knorrig. In seinen Augen glommen unsägliche Verheißungen und Drohungen.
    »Ich komme.«
    Keine Regung irgendeiner bewußten Kenntnisnahme belebte die grauen Gesichtszüge des Fremden. Wie eine Marionette drehte er sich um und entfernte sich hinaus in die Nacht.
    Für einen Moment stand Covenant nur reglos da. Er drückte die Arme an den Brustkorb, als müsse er einen Aufschrei ersticken; den Kopf hatte er wie in höchster Pein in den Nacken gebogen. Die Blutergüsse kennzeichneten sein Gesicht wie Male der Trauer. Dann aber setzte er sich in Bewegung. Mit einer Brutalität, die Linden zusammenfahren ließ, sie entsetzte, schlug er sich selber mit seiner Halbhand auf die Wange. Er gab sich einen Ruck und stürmte dem Boten hinterdrein in die Finsternis.
    Fast hätte Linden die Gelegenheit verpaßt, sich den beiden anzuschließen. In ihrer Betroffenheit fühlte sie sich nahezu wie gelähmt. Der Meister ...? Geopfert? Befürchtungen und Zweifel brachten ihre Haut zum Kribbeln wie Ungeziefer. Der Mann im Sackleinen hatte so stumpfsinnig ausgesehen – seelenloser als jedes Tier. Drogen? Oder ...?
    Wie arg er dich auch bedrängen mag ... Hatte Covenant recht? Bezüglich des Alten und auch der Besessenheit? Hinsichtlich der Zwecke ...? Sie ist nur ein Mittel, um an mich zu gelangen , hatte Covenant behauptet. Geopfert? O mein Gott! Der in Sackleinen gekleidete Mann hatte verrückt genug, abgeirrt genug gewirkt, um gefährlich zu sein. Und Covenant? Covenant war zu allem fähig.
    Lindens Mutmaßung im Hinblick auf das, was Covenant nun zu tun im Begriff war, scheuchte sie hoch. Furcht um ihn verdrängte ihre persönlicheren Befürchtungen, und sie eilte um die Ecke des Gebäudes, um den zwei Männern zu folgen.
    Der Bote hatte Covenant in die entgegengesetzte Richtung der Landstraße geführt, fort vom Haus und in den Wald. Linden konnte die beiden das Gesträuch durchqueren hören; ohne Licht war es ihnen unmöglich, lautlos zu sein. Indem Lindens Augen sich der Dunkelheit anpaßten, vermochte sie das Paar ein Stück voraus zu erkennen, wie es gleich Schatten die verschiedenen Abstufungen des Dunkels durchmaß. Linden hielt Anschluß.
    Blindlings drauflos wanderten die Männer durchs Gehölz, überquerten Anhöhen und strebten Täler entlang. Sie mieden Weg und Steg; Linden hatte den Eindruck, als würden sie wie in Orientierung an einer zuvor vermessenen Luftlinie zu ihrem Ziel marschieren. Und während sie dahinzogen, schien sich ringsherum die Nacht zu erheben, mit fortschreitender Störung ihrer Ruhe immer feindseliger zu werden. Die Bäume und das Gebüsch wirkten nach und nach bedrohlicher, als ob die nächtlichen Wanderer mit der Zeit in eine vollkommen andere Welt überwechselten, eine Umgebung der Gefahren und Böswilligkeit. Schließlich lag ein weiterer Hügel auf der eingeschlagenen Strecke. Covenant und der Bote erstiegen ihn und verschwanden jenseits des Hügelkamms in einem merkwürdigen Lohen orangeroter Helligkeit. Es entriß sie für einen flüchtigen Moment der Dunkelheit und verschlang sie dann, als habe ein Augenblick eines Übergangs stattgefunden. Durch das Aufleuchten gewarnt, erklomm Linden den Hang langsamer. Das Vibrieren ihrer Nerven kam ihr in der Finsternis nachgerade laut vor. Die letzten paar Meter legte sie auf Händen und Knien zurück, blieb in der Deckung des Unterholzes.
    Als sie den Kopf über die Höhe der Hügelkuppe schob, schlug ihr das Geflacker von Feuer entgegen. Ein Feuer, das einen Viertelmeter vorher noch unsichtbar gewesen war, leuchtete ihr ins Gesicht, als hätte sie gerade die Grenzen des Traums durchstoßen. Für kurze Zeit blendete der Lichtschein sie, lähmte sie das Schweigen. Die Nacht schluckte jeden Laut, entzog der Luft jedes Anzeichen von Leben.
    Linden zwinkerte wütend und spähte über die Hügelkuppe. Darunter lag eine tiefe, kahle Geländemulde. Ihre Hänge entbehrten vollständig aller Gräser, Sträucher und Bäume, als wäre das Erdreich mit Säure

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