Das verwundete Land - Covenant 04
sich und schob seinen abgezehrten Arm in die Glut. Sein Aufheulen zerstörte Lindens letzte Willenskraft, und sie keuchte nur noch in hilflosem Grauen vor sich hin. Sie vermochte sich nicht zu rühren, nicht einmal den Blick abzuwenden. Abscheu in einem Maße, daß sie ihn nicht hätte beschreiben können, hielt sie ganz und gar gepackt.
Die jüngere Schwester des Jungen ahmte nach, was er getan hatte, als besäße sein Schmerz für sie keinerlei Bedeutung. Und danach kam das dritte verwahrloste Kind an die Reihe, lieferte sein Fleisch der Willkür des Feuers aus, als wäre es bloß totes Gewebe, nur ausschließlich vorübergehend zum Zwecke der Opferung belebt.
Da endlich war es soweit, daß Linden gehandelt hätte. Und der Widerwille, der in Covenants starrer Haltung zum Ausdruck kam, zeigte an, daß auch er jetzt bereit war, zur Tat zu schreiten. Doch das Feuer verhinderte, daß sie etwas unternahmen. Mit jedem Mal, wenn es den Geschmack lebendigen Fleischs kostete, durchfuhr es ein Auflodern wie von Lust; die Flammen schossen stets noch höher empor. Im Herzen der Lohe begann sich eine Gestalt abzuzeichnen.
Noch mehr Leute nahten sich dem Feuer, um ihm den Schmerz ihrer Hände zu opfern. Währenddessen nahm die Gestalt ein immer klareres Aussehen und eine scheinbar feste Natur an. Inmitten des Flackerns konnte man sie nie ganz deutlich erkennen; dennoch sah man in leuchtenden roten Umrissen unverkennbar einen Mann in weiter Gewandung. Wie mit Blut gezeichnet, ragte seine Gestalt mitten im Wüten der Flammen auf, die Arme überm mächtigen Brustkorb verschränkt, durch Schmerz geschaffen aus Feuer und Selbstaufgabe.
Der Fanatiker mit dem Dolch sank auf die Knie. »Meister!« schrie er in höchster Begeisterung.
Die Augen der Gestalt glichen Fängen, waren faulig und gelb; und ihr Blick gloste mit äußerster Bosheit aus den Flammen. Ihre Bösartigkeit zwang Linden zum Ducken wie eine Tätlichkeit gegen ihre Unversehrtheit, ein Angriff auf ihre Vorstellungen von Gesundheit und Leben. Diese Augen waren tollwütig und voller verwerflichem Vorsatz, etwa wie eine mit Absicht zugezogene Krankheit, wie zweckbestimmte Verderbnis. Nichts in Lindens ganzem bisherigen Leben hatte sie auf den Anblick von solchem, nachgerade mit Händen greifbaren Haß vorbereitet.
»Foul!« hörte sie Covenant wutentbrannt knirschen, die Stille durchdringen. »Auch Kinder?!« Aber sein Grimm konnte den Bann der Furcht nicht brechen, der Linden zurückhielt. Für sie hallten in dem mit Gewalt getränkten Schweigen noch die Schreie der Menschen nach, die sich die Hände verbrannt hatten.
Da begann sich jenseits der Mulde, Linden gegenüber, der Mond zu zeigen. Ein Streifen seines Runds, weiß wie Gebein, schob sich über die Anhöhe auf der anderen Seite, lauerte gleichsam scheel in die Mulde herab. Der Mann mit dem Dolch sprang wieder auf die Beine. Erneut reckte er die Arme himmelwärts, schwang das Messer. Seine persönliche Verzückung näherte sich ihrem Höhepunkt. »Die Stunde der Apokalypse ist gekommen!« verkündete er mit einem Aufbrüllen, das einem Stöhnen ähnelte. »Der Meister ist erschienen! Das Verhängnis ist nah für jene, die danach trachten, Seinem Willen zu widerstreben! Nun werden wir Zeugen der Vergeltung gegen Sünde und sündiges Leben sein, die wir in Seinem Namen die Sündhaftigkeit mitangesehen und geharrt und gelitten haben! Wir haben das Feuer berührt und sind geläutert worden!« Seine Stimme schwoll an, bis sie klang wie das Kreischen jener, die den Flammen ihre Hände ausgesetzt hatten. »Nun laßt uns alle Schlechtigkeit in Blut und ewige Strafe verwandeln!«
Er ist irrsinnig. Linden klammerte sich an diesen Gedanken, darum bemüht, in diesen Leuten nichts anderes zu sehen als Fanatiker, durch Mangel und Furcht zur Raserei getrieben. Sie sind ausnahmslos irre. Was hier geschieht, ist einfach unmöglich. Aber nach wie vor vermochte sie sich nicht zu regen.
Und ebensowenig tat Covenant etwas. Linden wünschte sehnlichst, daß er irgend etwas unternähme, irgendwie die sonderbare Trance bräche, Joan rette, auch sie selbst aus dieser unerträglichen Situation befreie. Doch er blieb reglos, beobachtete das Lodern des Feuers, als stäke er unentrinnbar fest zwischen wilder Wut und Hilflosigkeit.
Die Gestalt inmitten der Glut vollführte eine Bewegung. Ihre Augen schienen wie zwei Narben des Maliziösen den Flammen einen Fokus zu verleihen, durch den sie alles ringsum mit ihrer Verachtung sengten. Der
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