Das verwundete Land - Covenant 04
Der Großrat , stöhnte er innerlich, entsann sich an Mhoram, Prothall, Elena. Hölle und Verdammung! Seine Stimme zitterte, als er weiterredete. »Als ich ins Land kam, hat man mich als so was wie Bereks Wiederverkörperung begrüßt. Er soll die zwei äußeren Finger seiner rechten Hand im Krieg verloren haben.« Lindens Blick verschärfte sich flüchtig; sie sah jedoch davon ab, Covenant zu unterbrechen. »Deshalb bin ich vom Großrat zum Ur-Lord ernannt worden. Die meisten anderen Titel habe ich erst später erhalten. Nachdem ich Foul geschlagen hatte. Zweifler war der einzige Beiname, den ich mir selber zugelegt habe. Am Anfang war ich hier lange Zeit ganz sicher, nur zu träumen, aber ich wußte nicht, was ich dagegen unternehmen sollte.« Er sprach leiser und mit unverhohlenem Mißmut weiter. »Ich hatte davor Furcht, in die hiesige Angelegenheiten verwickelt zu werden. Das hing damit zusammen, daß ich Leprotiker bin.« Er hoffte, sie werde diese nichtssagende Begründung durchgehen lassen; er legte keinerlei Wert darauf, ihr von seinen Verbrechen zu erzählen. »Aber das war falsch. Solange man einen Begriff davon hat, was ringsherum geschieht, ist's gleichgültig, ob es ›real‹ oder ›unwirklich‹ ist. Man muß für das, was einem etwas bedeutet, trotzdem einstehen. Macht man das nicht, kommt einem die Kontrolle darüber abhanden, wer und was man ist.« Er verstummte, erwiderte ihren aufmerksamen Blick, um ihr die Festigkeit seiner Überzeugung zu zeigen. »Heraus kam dabei, daß mir schließlich sehr viel am Land lag.«
»Wegen der Erdkraft?«
»Ja.« Verlust traf Covenants Herz wie mit Stichen. Ermüdung und Überforderung beraubten ihn aller Gegenwehr. »Das Land war unglaublich schön. Und die Weise, wie seine Bewohner es liebten, ihm dienten ... auch das war schön. Leprotiker ...« – diese letzte Bemerkung fügte er in ätzendem Ton hinzu – »sind empfänglich für Schönheit.« Auf ihre Art kam ihm auch Linden schön vor.
Sie hatte ihm gelauscht wie eine Ärztin, die eine seltene Krankheit zu diagnostizieren versucht. »Sie haben sich als ›Zweifler‹ und ›Träger des Weißgoldes‹ bezeichnet«, sagte sie, als er schwieg. »Was hat Weißgold mit alldem zu schaffen?«
Unwillentlich schnitt Covenant eine finstere Miene. Um seinen Schmerz zu überspielen, ließ er sich auf den Fußboden nieder, setzte sich rücklings an den Kamin. Diese Frage wühlte ihn tief auf, und er fühlte sich zu ermattet, um den Mut aufzubringen, den es erforderte, sich ihr zu stellen. Aber Lindens Bedürfnis nach Wissen war von gebieterischem Charakter. »Mein Ehering«, sagte er gedämpft. »Nachdem Joan sich von mir hatte scheiden lassen, bin ich nicht dazu imstande gewesen, ihn auszuziehen, nie. Ich war Lepraleidender – ich mußte mit dem Bewußtsein weiterzuleben versuchen, daß ich alles verloren hatte. Ich habe meine einzige verbliebene Verbindung zur Menschheit in dem Umstand gesehen, einmal verheiratet gewesen zu sein. Aber in dieser Welt ist der Ring so was wie ein Talisman. Ein Werkzeug zur Anwendung dessen, was man hier wilde Magie nennt ... der ›wilden Magie, die den Frieden stört‹. Ich kann's nicht erklären.« Insgeheim verfluchte er seinen armselig beschränkten Mut.
Linden setzte sich in seiner Nähe auf den Boden, erforschte seine Miene. »Sie glauben, ich würde mit der Wahrheit nicht fertig.«
Covenant duckte sich nahezu unter der scharfen Treffsicherheit ihrer Beobachtung. »Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, wie schwer sie zu verkraften ist. Für mich jedenfalls ist sie verdammt nicht leicht zu ertragen.«
Draußen prasselte der Regen mit beständiger Wucht ins Tal herab; Blitz und Donner jagten einander über die Berge dahin. Im Innern der steinernen Hütte jedoch war die Luft warm, angereichert mit Rauch wie mit einem schwach narkotischen Duftstoff. Und Covenant hatte tagelang keine richtige Erholung gefunden. Er schloß die Augen, zum Teil aus Fügung in seinen Erschöpfungszustand, teilweise aber auch, um sich vorübergehend Lindens wachsamer Musterung zu entziehen.
Aber noch gönnte sie ihm keine Ruhe. »Nassic ...« Ihre Stimme klang so direkt, als berühre sie ihn körperlich. »Er ist verrückt.«
»Wie kommen Sie darauf?« erkundigte sich Covenant mit erheblicher Aufbietung von Willenskraft.
Linden gab keine Antwort, bis Covenant die Augen aufschlug und sie anschaute. »Ich kann's spüren«, erteilte sie da erst trotzig Auskunft. »Die Störung des geistigen
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