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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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flößte sogar seinen abgestorbenen Nerven Sehnsucht nach Verlorenem ein, als rühre ihn eine Redegewandtheit, über die er selbst nicht verfügte.
    In den unermeßlichen Himmeln des Universums, so erzählte er Linden, wo Leben und Raum eins waren und die Unsterblichen sich durch einen Äther ohne Grenzen bewegten, blickte der Schöpfer um sich, und in seinem Herzen regte sich das Verlangen, etwas Neues zu schöpfen, um seine strahlenden Kindlein zu erfreuen. Also sammelte er all seine Kraft und Geschicklichkeit und begab sich an die Art von Werk, der seine Leidenschaft galt. Zuerst schmiedete er den Bogen der Zeit, auf daß die Welt, die er zu erschaffen gedachte, für ihr Dasein eine Stätte habe. Dann schuf er innerhalb des Bogens der Zeit die Erde. Indem er die Größe seiner Liebe und seiner Visionen als Werkzeug verwendete, richtete er die Welt in all ihrer Schönheit ein, so daß kein Auge sie anzuschauen vermochte, ohne Freude zu empfinden. Danach besiedelte er die Erde mit all ihren Myriaden von Bewohnern – mit Geschöpfen, die die von ihm geschaffene Schönheit erkennen und wertschätzen sollten. Er trachtete nach Vollkommenheit, weil es in der Natur der Schöpfung lag, alle Dinge ohne Makel zu wünschen, und schenkte den Bewohnern der Erde die Gaben des Schöpferischen, des Strebens und der Liebe zu ihrer Welt. Und dann zog er seine Hand zurück und besah das Werk, das er vollbracht hatte. Da bemerkte er zu seinem großen Grimm, daß Mißratenes in der Erde ruhte, verborgenes und freies Böses, Übel und Kräfte, deren Vorhandensein seiner Absicht widersprachen. Denn während er an seiner Schöpfung arbeitete, hatte er die Augen geschlossen gehabt und nicht den Verächter gesehen, den böswilligen Sohn oder Bruder seines Herzens, wie er an seiner Seite ein eigenes Werk tat – Unrat in den Schmelzofen des Schöpfungswerkes warf, dem Willen des Schöpfers mit Schlechtigkeiten entgegenwirkte. Da erschütterte der Zorn des Schöpfers die Himmel, und er rang mit dem Sohn oder Bruder seines Herzens. Er überwältigte den Verächter und schleuderte ihn hinab zur Erde, schloß ihn zur Strafe innerhalb des Bogens der Zeit ein. So kam es mit den Bewohnern der Erde dahin, wie es dem Schöpfer ergangen war; denn mit diesem Tun brachte er Unheil über das, was er liebte, und alle lebenden Herzen lernten die Fähigkeit zur Selbstverachtung. Der Verächter tummelte sich ungehindert auf Erden, erweckte allerorts Übel, sann darauf, seinem Gefängnis zu entfliehen. Und der Schöpfer vermochte ihm nicht in den Arm zu fallen, denn das Eingreifen eines Unsterblichen durch den Bogen der Zeit müßte die Zeit aus den Fugen bringen, die Erde vernichten und den Verächter befreien. Das war der gewaltige Kummer des Schöpfers und der Quell endlosen Fehlgehens und Trauerns aller, die auf Erden wandelten und strebten.
    Covenant verstummte. Das Erzählen dieser Geschichte – im großen und ganzen so, wie er sie vor zehn Jahren gehört hatte –, machte seinem Gedächtnis viele Dinge wieder bewußt. Ihm war nicht mehr so gestaltlos und versteinert zumute. Nun fühlte er sich wie die Nacht, und seine Erinnerungen waren Sterne: Mhoram, Schaumfolger, Bannor, die Ranyhyn. Solange er noch Blut in den Adern und Atem in den Lungen hatte, würde er der Welt, die solche Menschen und Wesen hervorgebracht hatte, nicht die kalte Schulter zeigen.
    Linden begann eine Frage zu stellen; doch das Rascheln des Vorhangs unterbrach sie. Sunder betrat den Raum mit einer Öllampe. Er stellte sie auf den Boden und setzte sich mit gekreuzten Beinen davor. Ihr trübes, gelbliches Licht warf Schatten der Verhärmung über sein Gesicht. Als er sprach, schienen seine Worte in Asche gekleidet zu sein, wie wenn er einen Verlust zu beklagen hätte. »Auch ich habe diese Geschichte schon vernommen«, sagte er mit kloßiger Stimme. »Mein Vater Nassic hat sie mir erzählt. Die Geschichte jedoch, die in der Predigt des na-Mhoram berichtet wird, ist gänzlich anderer Art.« Covenant und Linden warteten. Im nächsten Moment sprach der Steinmeister weiter. »In der Predigt heißt es, daß die Erde als Kerker und Folterkammer für den Herrn des Bösen erschaffen worden ist – für ihn, den wir a-Jeroth von den Sieben Höllen nennen. Und daß das Leben der Erde gegeben worden ist – Männer und Frauen und alle anderen Geschöpfe –, um über a-Jeroth die verdiente Bestrafung zu bringen. Doch immer wieder im Laufe der Zeitalter sind die Bewohner des Landes an ihrem

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