Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
Vom Netzwerk:
möglich!« stammelt er.
    Die Zeit verstreicht. Zwischendurch ertönt immer wieder mit unheimlichem Widerhall die Stimme des Vorsitzenden: »Noch zehn Minuten... Fünf Minuten... Zwei Minuten...«
    Ein leises Klicken ist zu hören. Der Vorsitzende hat die Waffe entsichert. Da schreit Thomas Dietrich auf: »Nein! Ich tue, was Ihr verlangt!«
    Ganz von allein legt die junge Unbekannte ihren Kopf auf den Richtblock. Während Dietrich das Beil ergreift, hat er nur einen einzigen Gedanken: Seine Gefühle zu zügeln und nicht zu zittern, um dieser Unglücklichen unnötiges Leiden zu ersparen. Das Beil saust hinab, und der noch immer verschleierte Kopf rollt auf den Steinboden. Dann verliert Thomas Dietrich das Bewußtsein.
    Als er wieder zu sich kommt, befindet er sich erneut mit verbundenen Augen in der Kutsche. Er legt dieselbe unendlich lange Reise zurück, nur diesmal in umgekehrter Richtung, bis er im Morgengrauen vor seinem Haus ankommt.
    Nachdem er ihn losgebunden und die Augenbinde entfernt hat, überreicht ihm einer der Männer, die ihn begleitet haben, einen Geldbeutel.
    »Hier sind dreihundert Louisdor für Eure Arbeit.«
    Und die Kutsche fährt davon. Thomas Dietrich bleibt allein zurück. Dann läuft er in die Stadt, um den Polizeipräfekten aufzusuchen.
    Dieser hat seinem Bericht gelauscht, ohne die ihm eigene Höflichkeit aufzugeben, die er in allen Situationen zu wahren pflegt.
    »Und habt Ihr sie noch, die dreihundert Louisdor?«
    Der Henker zieht den Geldbeutel aus seiner Tasche.
    »Hier sind sie.«
    Der Polizeihauptmann zählt das Geld in aller Ruhe nach.
    »Ja, es stimmt«, sagt er schließlich, »es ist genau die Summe.«
    Thomas Dietrich wird allmählich ungeduldig.
    »Was meint Ihr, wo sich dieses Schloß befindet? Wenn wir immer geradeaus gefahren sind, haben wir bestimmt eine sehr lange Strecke zurückgelegt, vielleicht sogar bis ins Ausland. Aber ich glaube eher, wir haben uns eine ganze Weile im Kreis gedreht. Meiner Ansicht nach liegt dieses Schloß noch in Württemberg.«
    Zerstreut läßt Johann Berger die Münzen durch seine Finger gleiten.
    »Ihr seid jetzt ein reicher Mann, Dietrich. Diese Arbeit hat sich für Euch wirklich gelohnt!«
    Zitternd erhebt sich der Henker von Tübingen: »Wie könnt Ihr nur so etwas sagen!«
    Der Polizeipräfekt ist ebenfalls aufgestanden: »Und Ihr, wie könnt Ihr mir eine solche Geschichte auftischen? Haltet Ihr mich für einen Dummkopf?«
    Der Henker starrt ihn fassungslos an.
    »Glaubt Ihr mir etwa nicht?«
    »Nein, ich glaube Euch nicht. Allerdings hätte ich nicht vermutet, daß Ihr über eine derart blühende Phantasie verfugt. So etwas zu erfinden, damit Ihr Eure dreihundert Louisdor erklären könnt, dazu gehört wirklich einiges!«
    »Aber...«
    »Schweigt! Heute nacht ist in Tübingen ein reicher Kaufmann ermordet worden, und den Zeugenaussagen nach hatte er eine stattliche Summe in Louisdor bei sich. Wachen! Ergreift diesen Mann und bringt ihn fort!«
    Und so findet sich Thomas Dietrich kurz darauf im Gefängnis wieder. Die Tage vergehen... Der Polizeipräfekt Berger ist ein Mann von schnellen Entschlüssen. Wenn er sich erst einmal in eine Idee verrannt hat, weicht er nicht mehr davon ab. Keinen Moment lang versucht er, die Erzählung von Thomas Dietrich zu überprüfen, der inzwischen des Mordes angeklagt worden ist. In Kürze wird man ihm den Prozeß machen, und über den Ausgang des Verfahrens gibt es keinen Zweifel. Das einzige Problem wird darin bestehen, einen zweiten Henker aufzutreiben, der dem ersten den Kopf abschlägt...
    Man schreibt den 10. Januar 1781. Es ist ein Monat vergangen, seitdem Thomas Dietrich von jenem unerhörten Abenteuer berichtet hat, das er erlebt zu haben behauptet. An diesem Tag nun verlangt eine wichtige Persönlichkeit des Landes, vom Polizeipräfekten Johann Berger empfangen zu werden. Es handelt sich um den Baron von Buch, der zum besten württembergischen Adel gehört.
    Der Polizeipräfekt, dessen hauptsächliches Bestreben darin besteht, bei Hofe wohlangesehen zu sein, beeilt sich, dem Verlangen nachzukommen.
    »Herr Baron, es ist mir eine große Ehre...«
    Doch sein Besucher schneidet mit einer Handbewegung weitere Höflichkeitsfloskeln ab.
    »Ihr wißt, wer ich bin?«
    »Wer wüßte das nicht?«
    »Dann wißt Ihr auch, daß ich seit meiner Heirat mit der Familie von Scheffel verwandt bin'?«
    »Aber ja, selbstverständlich.«
    »In dem Falle habt Ihr also keinerlei Grund, meine Worte in Zweifel zu

Weitere Kostenlose Bücher