Das vielfarbene Land
furchtloser Tiere ... die Schönheit war real! Die Gefangenen entdeckten, daß sie ungeachtet ihrer Situation im Dschungel so eifrig nach neuen Wundern Ausschau hielten wie irgendeine Gruppe abenteuerlustiger Touristen. Ameries Schmerzen verblaßten vor Visionen von rot und schwarzen Schmetterlingen und bunten Baumfröschen, deren Stimmen wie Elfenglocken klangen. Noch jetzt im August sangen die Vögel ihre Paarungslieder, denn in einer Welt ohne echten Winter hatten sie noch nicht begonnen, im Herbst abzuwandern, und konnten mehr als eine Brut im Jahr aufziehen. Ein unwahrscheinliches Eichhörnchen mit Büschelohren und grünlich und orange getupftem Fell schimpfte von einem niedrigen Ast herab. um einen anderen Baum hatte sich eine bewegungslose Pythonschlange gewunden, der Körper so dick wie ein Bierfaß, die Farben so herrlich wie von einem Kermanschah-Teppich. Da ging eine winzige, hornlose Antilope mit Beinen wie Stöckchen und einem Körper, der nicht größer als der eines Kaninchens war! Da flog ein Vogel mit rauher Krähenstimme und prachtvollem Gefieder in Violett und Pink und dunkelstem Blau! An einem Bach stand ein großer Otter auf den Hinterbeinen und schien den vorbeireitenden Gefangenen liebenswürdig zuzulächeln. Weiter unten rissen wilde Chalicotherien, etwas kleiner und dunkler als ihre domestizierten Vettern, Binsen zum Frühstück aus und brachten es fertig, mit einem Maul voll tropfenden Grünzeugs würdevoll dreinzublicken. In dem kurzen Gras neben dem Pfad wuchsen massenhaft Pilze korallenfarben, rot mit weißen Tupfen, himmelblau mit magentaroten Lamellen und Stielen. unter ihnen kroch ein Tausendfüßler von der Größe einer Salami dahin und sah aus, als sei er in Ochsenblutrot mit cremefarbenen Rennstreifen frisch emailliert worden ...
Das Horn ließ seine drei Töne erschallen.
Amerie seufzte. Die widerhallende Antwort schreckte die wilden Tiere vor ihnen auf, so daß die Begegnung der Karawane mit ihrer Eskorte unter einem Durcheinander von Vogel- und Vierfüßerstimmen stattfand. Der Wald wurde lichter, und sie kamen in ein parkähnliches Gebiet neben einem langsam dahinströmenden Fluß, irgendeinem westlichen Nebenfluß der Saöne. Der Pfad führte über eine Wiese unter ehrwürdigen Zypressen hinweg und durch das Tor eines großen Forts mit Palisadenzaun, das fast identisch mit dem war, wo sie während der Nacht haltgemacht hatten.
»Ihr Reisenden!« bellte Captal Waldemar, als der letzte der Karawane das Tor passiert hatte und die hölzernen Flügel geschlossen waren. »Hier bleiben wir bis Sonnenuntergang zum Schlafen. Ich weiß, ihr fühlt euch ziemlich erschöpft. Aber folgt meinem Rat und weicht euch in eurem Badehaus in der großen Wanne mit heißem Wasser ein, bevor ihr euch in die Falle haut. und eßt, auch wenn ihr meint, vor Müdigkeit keinen Hunger zu spüren! Nehmt eure Packen mit, wenn ihr absteigt. Wer krank ist oder eine Beschwerde hat, bei mir melden! Haltet euch bereit, heute abend nach dem Essen, wenn ihr das Horn hört, wieder aufzusteigen! Wenn euch nach einem Fluchtversuch zumute ist, denkt daran, daß die Amphicyonen draußen sind und ebenso die Säbelzahnkatzen und ein ganz gemeiner orangefarbener Salamander von der Größe eines Collie und mit dem Gift einer Königskobra. Schlaft gut. Das ist alles.«
Ein weißgekleideter Stallknecht half Amerie aus dem Sattel, als sie es aus eigener Kraft nicht schaffte.
»Ein schönes heißes Bad wird Ihnen guttun, Schwester«, meinte der Mann fürsorglich. »Es ist das beste Mittel der Welt gegen Reitschmerzen. Wir heizen das Wasser mit einem Sonnenkollektor auf dem Dach, deshalb ist reichlich da.«
»Danke«, murmelte sie. »Das werde ich tun.«
»Sie könnten auch etwas für uns hier im Fort tun, Schwester. Das heißt, falls Sie nicht zu müde und steif sind.« Er war ein kleiner, kaffeefarbener Mann mit stark ergrauendem Kraushaar und der geistesabwesenden Art eines kleinen Beamten.
Amerie hatte das Gefühl, im Stehen einschlafen zu können, wenn nur etwas zum Anlehnen da wäre. Doch sie hörte sich selbst sagen: »Natürlich werde ich alles tun, was ich kann.« Ihre gezerrten Beinmuskeln verkrampften sich protestierend.
»Wir bekommen nicht oft einen Priester her. Nur alle drei oder vier Monate macht einer die Runde der alte Bruder Anatoly aus Finiah oder Schwester Ruth aus Goriah, ein Stück weiter westlich. unter den Männern hier sind vielleicht fünfzehn Katholiken. Wir wären wirklich sehr dankbar, wenn
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