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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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draußen vor der Höhle.
    »Du mußt gehen«, sagte Lulo und kuschelte sich unter den Nerz. »Komm bald wieder!«
    König Yeochee trat aus der Grotte, holte tief Atem und verwandelte sich von einhundertsechzig zu zweihundertsechzig Zentimeter Größe. Der alte Morgenmantel wurde zu einer Schlepprobe aus granatfarbenem Samt. Er schuf sich eine herrliche, goldziselierte Parade-Rüstung aus Obsidian, auf derem offenen Helm eine hohe Krone saß. Aus ihr wuchsen zwei gewundene Glieder wie goldene Widderhörner, und über der Stirn sprang ein Schnabel vor, der den oberen Teil seines Gesichts in tiefen Schatten hüllte. Er vergrößerte seine Augen, die in düsteren Farben schillerten. Im Laufschritt erreichte er den Thron. Es war keinen Augenblick zu früh.
    Die Fanfare war zum letzten Mal zu hören.
    Yeochee erhob eine gerüstete Hand, und mehrere Dutzend illusorischer Höflinge und Bewaffneter entstanden um die Thronstufen. Die Felsen des Bergs erglühten in leuchtenden Farben. Zitternde Musik wie von einer Glas-Marimba erfüllte den Saal, als sechs Firvulag der Palastgarde die Menschen und Fitharn Holzbein vor das Angesicht des Königs führten.
    Einer der Quasi-Höflinge trat vor. Der Geringen wegen Standard-Englisch benutzend, deklamierte er: »Jeder erweise Ehre Seiner Schrecklichen Hoheit Yeochee IV., souveräner Herr der Höhen und Tiefen, Monarch der unendlichen Hölle, Vater aller Firvulag und unangefochtener Herrscher der bekannten Welt!«
    Ein orgelähnlicher Ton von ohrenbetäubender Lautstärke ließ die sich nähernden Besucher erstarren. Der König erhob sich und schien vor ihren Augen größer und größer zu werden, bis er unter den Stalaktiten wie ein riesiges Götzenbild mit Smaragdaugen aufragte.
    Fitharn lüftete kurz seinen hohen Hut. »Wie geht's, King?«
    »Wir erlauben dir, näherzutreten!« dröhnte die Erscheinung.
    Fitharn stapfte mit seinem Holzbein vorwärts, und die sieben Menschen folgten ihm. Yeochee stellte bedauernd fest, daß nur zwei der Geringen ein scharfgesichtiger Bursche mit großem schwarzem Schnurrbart und eine jüngere Frau, hohlwangig und dünn, das helle Haar zu einem nicht schmeichelnden Knoten zusammengedreht von seiner monströsen Verkleidung echt beeindruckt waren. Die übrigen Menschen betrachteten Seine Schreckliche Hoheit entweder mit wissenschaftlichem Interesse oder mit Belustigung. Die alte Madame Guderian zeigte sogar eine Spur von gallischem Ennui. Na, wenn schon. Da konnte er sich ebensogut entspannen.
    »Wir werden uns herablassen, ein milderes Aussehen anzunehmen!« erklärte Yeochee. Er schrumpfte zu seinem normalen Selbst zusammen mit goldenem Morgenmantel, bloßen Füßen und allem, die Krone schief sitzend wie gewöhnlich. »Was hat das alles zu bedeuten?« wollte er von Fitharn wissen.
    »Madame Guderians Plan gegen die Tanu scheint einen Quantensprung vollführt zu haben, King. Laß es dir besser von ihr selbst erzählen.«
    Yeochee seufzte. Madame erinnerte ihn in beunruhigender Weise an seine verstorbene Großmutter, eine Dame, die immer wußte, wann er eine kindliche Missetat begangen hatte. Trotz des Talents der alten Französin für politische Intrigen hatte Yeochee es längst bitterlich bereut, ihr einen goldenen Ring gegeben zu haben. Madames Pläne hatten immer zur Folge, daß bei nur geringem Gewinn für die Firvulag die Geringen den Vorteil davon hatten. Er hätte seinem Instinkt folgen und sie gleich in den ersten Tagen, nachdem sie die Frechheit besessen hatte, durch ihr eigenes Zeitportal zu treten, mit seiner Psychoenergie zu Kleinholz zerlegen sollen. Schließlich war sie indirekt die Urheberin der gegenwärtigen Firvulag-Degradierung!
    Die alte Frau, jetzt in der gefleckten Wildlederkleidung, die Waldläufer ihrer Rasse bevorzugten, trat kühn bis zum Thron vor und grüßte den König mit oberflächlichem Kopfnicken.
    »Sie sehen gut aus, Monseigneur. Reichlich gesunde körperliche Übungen, wie man vermuten kann.«
    Yeochee runzelte die Stirn. Aber wenigstens hatte die alte Forelle ihm den Lulo versprochenen Imbiß ins Gedächtnis zurückgerufen. Er griff nach einem Klingelzug. »Pallol berichtete mir, es sei möglich, daß Sie den Ort des Schiffsgrabes entdeckt haben.«
    »Das ist richtig.« Sie wies auf einen silberhaarigen Mann unter den Menschen. »Professor Claude, einer unserer neuen Gefährten, glaubt, ihn identifiziert zu haben. Er weiß davon durch seine wissenschaftlichen Studien in der Welt der Zukunft.«
    »Es soll sechs

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