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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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mit Wesen. Es schienen Hunderte zu sein, vielleicht sogar Tausende. Sie saßen einer auf dem anderen, baumelten von Oberhängen oder von den Beinen ihrer Gefährten, lugten aus Spalten und krochen behende über Köpfe und Körper anderer, um einen Platz in der ersten Reihe zu ergattern.
    Sie waren ein Volk von Alpträumen.
    Die meisten waren sehr klein, unter einem Meter, mit dem runden Rumpf und den dünnen Beinen des Kobolds. Viele hatten überproportional große Hände und Füße. Einige der Körper schienen verrenkt wie von Rückgrat-Deformierungen; andere hatten asymmetrische Ausbuchtungen, Hinweise auf Tumore oder versteckte zusätzliche Glieder. Die Köpfe waren grotesk zugespitzt, abgeflacht, schrundig wie Baumrinde, sie trugen Kämme und Horner. Einige waren zu groß oder zu klein für den sie tragenden Körper oder auf monströse Weise unpassend wie das weibliche Köpfchen mit den glänzenden Locken und den reizenden Gesichtszügen, das auf der buckligen Gestalt eines jungen Affchens saß. Beinahe alle Gesichter waren scheußlich, verzerrt oder geschwollen oder in die Länge gezogen, bis keine Ähnlichkeit mit humanoider Normalität mehr zu erkennen war. Da waren welche mit roten und blauen Warzen, mit Haar, mit Saurierschuppen, mit nässenden Pusteln, mit käseähnlichen Wucherungen bedeckte Gesichter. Da waren Glotz-, Knopf- und Stielaugen, an falscher Stelle sitzende, zusätzliche Augen. Einige der Kreaturen hatten breite Froschmäuler, anderen fehlten die Lippen ganz, so daß die Stümpfe fauler Zähne in  einem ständigen grauenhaften Grinsen bloßgelegt waren. diese Münder reichten von Tierschnauzen, auf ansonsten normale Schädel transplantiert, bis zu unwahrscheinlichen senkrechten Schlitzen, gerollten Rüsseln und Papageienschnäbeln. Sie öffneten sich, um dicke Stoßzähne, dichtstehende schmale Fangzähne, sabbernde Gaumen und Zungen zu offenbaren, die schwarz oder gefranst oder auch doppelt und dreifach sein mochten.
    Die mißgestaltete Menge begann, ganz leise, von neuem zu heulen.
    Auf dem schwarzen Stein saß jetzt ein ziemlich großer, kahlköpfiger Mann. Sein Gesicht war schön, und sein Körper, vom Hals bis zu den Fersen in ein gutsitzendes purpurfarbenes Gewand gekleidet, war der eines mit wundervollen Muskeln ausgestatteten Humanoiden.
    Das Heulen verstummte abrupt. Der Mann erklärte: »Ich bin Sugoll, der Herr dieser Berge. Sagt, warum ihr kommt.«
    »Wir bringen«, antwortete Madame mit kaum hörbarer Stimme, »einen Brief von Yeochee, dem Hochkönig der Firvulag.«
    Der kahlköpfige Mann lächelte tolerant und streckte die Hand aus. Claude mußte Madame Guderian stützen, während sie sich dem Stein näherte.
    »Sie haben Angst vor uns«, bemerkte Sugoll und nahm das Stück Pergament. »Sind wir für menschliche Augen so abstoßend?«
    »Wir fürchten, was Ihre Gehirne projizieren«, sagte Madame. »Ihre Körper können nur unser Mitleid erwecken.«
    »Meiner ist natürlich eine Illusion«, informierte Sugoll sie. »Als größter all dieser ...« er schwenkte den Arm, um die wibbelnde Masse von Kreaturen zu bezeichnen -, »muß ich ihnen natürlich in allen Dingen überlegen sein, auch in der körperlichen Scheußlichkeit. Möchten Sie mich sehen, wie ich wirklich bin?«
    Claude sagte: »Mächtiger Sugoll, diese Frau ist von Ihren mentalen Emanationen schwer angegriffen. Ich war früher ein Lebens-Wissenschaftler, ein Paläobiologe. Zeigen Sie sich mir, und verschonen Sie meine Freunde.«
    Der Glatzkopf lachte. »Ein Paläobiologe! Dann sehen Sie mal, ob Sie mich klassifizieren können.« Er stellte sich auf seinen Stein. Richard kam und führte Madame zurück. Claude blieb allein stehen.
    Ein Blitz zuckte auf, und alle Menschen außer dem alten Mann wurden vorübergehend blind.
    »Was bin ich? Was bin ich?« rief Sugoll. »Sie werden es nie erraten, Mensch! Sie können es uns nicht sagen, und wir können es Ihnen nicht sagen, weil keiner von uns es weiß!« Ein Ausbruch spöttischen Gelächters folgte dem anderen.
    Die ansehnliche Gestalt in Purpur saß wieder auf dem Stein. Claude stand mit weit gespreizten Beinen, dem Kopf auf der Brust und pumpenden Lungen. Ein Blutfaden sickerte von seiner durchgebissenen Unterlippe. Langsam hob er den Blick, bis er dem Sugolls begegnete.
    »Ich weiß, was Sie sind.«
    »Was sagen Sie da?« Der Koboldherrscher schnellte sich nach vorn. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung sprang er zu Boden und hielt dicht vor Claude inne.
    »Ich weiß,

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