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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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Delirium, deshalb gaben sie sie einer Amme und mir sechs ganze Monate Ruhe, damit mein armer alter Körper wieder in Form kam. Sie behandelten mich sogar mit ihrer Haut, was so eine Art Regenerationstank des kleinen Mannes ist, aber das half mir nicht viel. Der Heiler meinte, ich hätte nicht den richtigen Gehirntonus, das sei genau wie bei Grauringen. Aber mir war klar, ich wollte einfach nicht gesund werden, ich wollte keine weiteren Kinder mehr haben. Ich wollte sterben. Deshalb ging ich eines schönen Nachts heimlich in den Fluß.«
    Ihm fiel nichts ein, womit er sie hätte trösten können. Diese einzigartige Schändung war ein Greuel, der über sein Begriffsvermögen hinausging. Er bemitleidete Martha und wütete innerlich gegen die Tanu-Männer. Sie hatten sie mißbraucht, einen halbmenschlichen Parasiten in sie gepflanzt, der sich von ihr ernährte, gegen ihre inneren Organe und gegen ihre Bauchwand trat und sie von neuem vergewaltigte, als er ans Licht der Welt drängte. Gott! und sie sagte, sie habe das erste Kind geliebt! Das verstand er nicht. Wie war es möglich? (Er hätte die kleinen Bastarde erwürgt, bevor sie zum ersten Mal Atem holten.) Aber sie hatte das erste Kind geliebt, und sie hätte wohl auch die anderen geliebt, wenn man sie ihr nicht weggenommen hätte. Sie hatte diese Peiniger, diese unwürdigen Kinder geliebt! Konnte ein Mann jemals Logik in der Art der Frauen finden?
    und man sollte meinen, sie hätte danach keinen Mann mehr angesehen. Aber irgendwie hatte sie seine eigene Not erfaßt und ja! ihn ebenso gebraucht wie er sie. Vielleicht hatte sie ihn sogar ein bißchen gern. Besaß sie soviel Großmut?
    Fast als habe sie seine Gedanken gelesen, lachte sie leise und sinnlich und winkte ihn zu sich zurück. »Wir haben noch Zeit. Wenn du wirklich der Mann bist, für den ich dich halte.«
    »Nicht, wenn es dir wehtut«, hörte er sich sagen, als sein Begehren schon wieder erwachte. »Niemals, wenn es dir wehtut.« Aber sie lachte nur von neuem und zog ihn an sich. Frauen sind erstaunlich.
    In einem dunklen kleinen Winkel seines Gehirns sandte irgend etwas eine Botschaft an ihn ab, eine Überzeugung, die zu ungeheuerlichen, beinahe furchterregenden Proportionen anwuchs, während seine Leidenschaft dem Höhepunkt zustrebte. Diese Person war nicht »Frauen«. Sie war im Gegensatz zu allen anderen, die er gehabt hatte, keine Abstraktion weiblicher Sexualität, kein Gebrauchsgegenstand, kein Gefäß der Aufnahme körperlicher Erleichterung. Sie war anders. Es war Martha.
    Die Botschaft war schwer zu verstehen, aber bald, bald würde er sie entschlüsseln können.

5
    Martha war es gewesen, die dem Kobold seinen Titel gab. Er war dagewesen, hatte auf einem Felsblock gesessen und sie mit misanthropischem Blick betrachtet, als sie früh am nächsten Morgen in ihrem Lager am Fuß der südlichen Flanke des Feldbergs erwachten. Nachdem er sich brüsk als Abgesandter Sugolls identifiziert hatte, befahl er ihnen, ihre Sachen zusammenzupacken. Richard durfte nicht einmal Frühstück machen. Das Tempo, das er auf dem Weg über ein schmalen Grat einschlug, war absichtlich zu schnell, und er hätte sie ohne Pause bergauf weitergetrieben, wenn Madame nicht von Zeit zu Zeit verlangt hätte, daß sie anhielten, um wieder zu Atem zu kommen. Offenbar empfand das zwergenhafte Geschöpf es als unter seiner Würde, ihnen als Führer dienen zu müssen, und wollte seine eigene kleinliche Rache an ihnen nehmen.
    Der Kobold war viel kleiner als jeder Firvulag, den sie schon gesehen hatten und viel häßlicher mit seinem faßarmigen kleinen Rumpf und dünnen Armen und Beinen, Sein Schädel war grotesk zusammengedrückt und glich dem eines Vogels. Große schwarze Augen mit überhängenden Tränensäcken lagen dicht beisammen über seiner Tukanise. Abstehende Ohren schlappten am oberen Rand. Seine Haut war von einem talgigen rötlichen Braun, und sein schütteres Haar drehte sich in Strähnen wie bei einem Mop zusammen. Die Kleidung des Kobolds war im Gegensatz zu seiner körperlichen Widerwärtigkeit ordentlich und sogar schön: geputzte Stiefel und ein breiter Gürtel aus durchbrochenem schwarzem Leder, Hemd und Hose in Weinrot und die lange Weste, die mit einem flammenähnlichen Muster bestickt und mit Halbedelsteinen besetzt war. Eine Art phry-gischer Mütze mit einer großen Kokarde war bis auf seine schrundige Stirn herabgezogen, die sich in einem Ausdruck ständiger Übellaunigkeit furchte.
    Die fünf Reisenden

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