Das vielfarbene Land
warum verlasse ich diese schönste aller neuen Welten, um mich ins beklemmend unbekannte zu begeben? Was ist im Dunkeln, das ich zu finden/nicht zu finden so fürchte?
Weiß nicht, was ihr Macht verleiht, doch lieb ich sie in Ewigkeit.
15
Claude Majewski öffnete die Augen, säuberte sie mit einem Papiertaschentuch vom Schlaf und entfernte den Ohrstöpsel, der ihn, während er schlummerte, gelehrt hatte, wie man vom Sturm abgebrochene Äste zu einem Blockhaus zusammenfügt. Sein linker Arm prickelte wie von tausend Nadeln, und seine Füße waren kalt. Verdammter alter Blutkreislauf im Eimer. Während er das Blut zurück in seine Muskeln knetete, sann er darüber nach, daß er den Luxus der Herberge Gänsedaunenkissen, Wassermatratze und echte Baumwolllaken vermissen würde. Er hoffte, die Überlebensausrüstung, die sie heute ausprobieren wollten, enthielt ein anständiges Feldbett.
Er patschte durch das sonnige Zimmer ins Bad. Hier manifestierte sich Madame Guderians Mitgefühl in schwarzem und weißem Marmor und goldenen Installationen, in dicken Handtüchern, parfümierter Seife und Toilettenartikeln von Chanel, in einer Sauna und einer Sonnenlampe und la Masseuse, die nach den ernüchternden Vorlesungen über la vie sauvage schon bereitstand, die Klienten in wohltuend eleganter Umgebung zu behandeln.
Manch ein armer Zeitfahrer würde sich im Kampf mit der Welt des Pliozän an die letzten Tage in der Auberge erinnern, an die französische Küche, die weichen Betten, die kostbaren Kunstwerke. Aber Majewski wußte, seine liebsten Erinnerungen würden die an das sybaritische Klo sein. Der warme, gepolsterte Sitz, der seine dürren Schenkel willkommen hieß! Das Papier, perforiertem Kaninchenfell gleichend! Er dachte an einige der primitiven Örtlichkeiten zurück, unter denen er und Gen auf unerschlossenen Planeten gelitten hatten: Fertighäuschen mit kaputter Heizung, stinkende Plumpsklosetts aus Stein und Holz, in denen Ungeziefer lauerte, ungehobelte Zweisitzer über Spülgräben und an eine grauenhafte Sturmnacht auf Lusatia, als er sich auf einem Baumstamm niedergehockt und dann erst entdeckt hatte, daß er kleinwinzige ungeheuer beherbergte.
O gesegnete Sanitär-Installation! Wenn kein anderer ein pliozänisches Wasserklosett erfand, beabsichtigte Claude, das ernsthaft in Angriff zu nehmen.
Er duschte mit kühlem, parfümiertem Wasser, reinigte seine Zähne (die dritten, so gut wie neu) und schnitt sich in dem Louis-XIV-Spiegel eine Grimasse. Nicht gar zu hinfällig. Wer ihn flüchtig betrachtete, mochte sein Alter auf Ende Fünfzig schätzen. Er war stolz auf seine polnischen grünen Augen und den dichten Busch gewellten Silberhaars, darauf zurückzuführen, daß er die Männern vorbehaltene Kahlheit bei der letzten Verjüngung aus seinem genetischen Erbgut hatte entfernen lassen. Aber Gott sei Dank, daß die übrige Behaarung depiliert worden war! Typen wie dieser Pirat, die Wert auf Gesichtsbehaarung legten, würden in einer primitiven Welt wohl ein anderes Lied anstimmen besonders in einer warmen und verwanzten wie dem pontischen Europa.
Der alte Paläontologe hatte mit grimmiger Erheiterung festgestellt, daß die Vorlesungen und geschickt animierenden Filme über die Ökologie des Pliozän tags zuvor die Insekten und andere den Gliedertieren angehörige Bewohner kaum erwähnten. Es war dramatischer, große Herden von Hipparions und anmutigen Gazellen zu zeigen, die von kaum weniger anmutigen Leoparden gejagt wurden, oder Säbelzahntiger, die ihre langen Fänge in brüllende Eber schlugen.
Claude kehrte in sein Schlafzimmer zurück und bat den Zimmer-Service, ihm Kaffee und Croissants heraufzuschicken. Da an diesem zweiten Tag einfache Überlebenstechniken durchgenommen werden sollten, zog er die Kleidung an, die er beim Portal-Durchgang zu tragen beabsichtigte. Aus Erfahrung hatte er leichte und bequeme Sachen gewählt: Netzunterwäsche, ein altmodisches Buschhemd und Hosen aus der besten langfasrigen ägyptischen Baumwolle, Socken aus orcadianischer Wolle, der das Fett belassen worden war, und unzerstörbare Stiefel von Etruria. Er hatte seinen alten Rucksack mitgebracht, obwohl alle Art von Ausrüstung in der Auberge zu haben war. Der Rucksack enthielt seinen Poncho aus atmender Grintla-Haut und einen orcadianischen Pullover. und in einem Reißverschlußfach befand sich ein schöner Zakopan-Kasten aus Holz, reich mit Schnitzereien verziert. Gens Kasten. Er wog so gut wie nichts.
Beim
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