Das vierte Opfer - Roman
Details, sagten Sie?«
Van Veeteren trank einen Schluck Selters. Tastete nach einem Zahnstocher, beschloß dann aber, nicht weiter zu suchen.
»Wie würden Sie das Verhältnis zwischen sich und Ihrem Sohn bezeichnen?«
Doktor Rühme reagierte, indem er die Augenbrauen einen Millimeter hochzog. Das war alles.
»Danke«, sagte Van Veeteren. »Ich verstehe.«
Er kritzelte etwas Unleserliches auf seinen Block und ließ einige Sekunden verstreichen.
»Nein«, sagte der Arzt schließlich, »ich glaube nicht, daß Sie das verstehen. Maurice und ich hatten ein Verhältnis zueinander, das auf großem gegenseitigen Respekt beruhte.«
»Genau das habe ich gerade notiert«, sagte Van Veeteren. »Sind Sie verheiratet, Doktor Rühme?«
»Seit zwölf Jahren geschieden.«
»Damals muß Ihr Sohn ... neunzehn Jahre alt gewesen sein?«
»Ja. Wir haben damit gewartet, bis er von zu Hause ausgezogen ist. Haben uns im gleichen Monat getrennt, in dem er seine Medizinstudien in Aarlach begann.«
»Und seitdem hat er in Aarlach gewohnt, ist das richtig?«
»Ja, bis er in diesem März seine Stelle hier antrat.«
»Ich verstehe«, sagte Van Veeteren. Er stand auf und begann langsam im Zimmer herumzulaufen, die Hände auf dem Rücken. Blieb vor dem Bücherregal stehen und las einige Titel,
ging dann weiter zum Fenster und schaute auf den gepflegten Rasen und die Büsche hinaus. Doktor Rühme schaute auf seine Armbanduhr und hüstelte.
»Ich habe in zwanzig Minuten einen Patienten«, sagte er. »Wenn Sie jetzt Ihre restlichen Fragen stellen könnten... falls Sie noch welche haben?«
»Wann waren Sie zum letzten Mal zu Besuch in der Leisner Allee?«
»Ich bin niemals dort gewesen«, sagte Rühme.
»Ihre Meinung über Beatrice Linckx?«
»Gut. Sie hat mich ein paarmal besucht... ohne Maurice.«
»Als Vermittlerin?«
Doktor Rühme antwortete nicht.
»Ihr Sohn hat sein Medizinstudium 1987 begonnen... vor elf Jahren. Wann hat er Examen gemacht?«
»Vor zwei Jahren.«
»Neun Jahre Studium? Das ist eine ziemlich lange Zeit, oder, Doktor Rühme?«
»Es gibt Beispiele noch längerer Ausbildungszeiten.«
»Wie lange haben Sie selbst gebraucht?«
»Fünf Jahre.«
»Gibt es einen besonderen Grund, warum Maurice so lange gebraucht hat?«
Doktor Rühme zögerte, aber nur kurz.
»Ja«, sagte er.
»Wären Sie so freundlich, mir zu sagen, welchen?« fragte Van Veeteren.
»Kokainmißbrauch«, sagte Doktor Rühme und faltete die Hände vor sich auf dem Schreibtisch. Van Veeteren nickte und machte sich wieder Notizen.
»Wann hat er damit aufgehört?«
»Es kam 1989 zu meiner Kenntnis. Und hörte zwei Jahre später endgültig auf.«
»Irgendwelche rechtlichen Folgen?«
Der Doktor schüttelte den Kopf.
»Nein, nichts dergleichen.«
»Ich verstehe«, sagte Van Veeteren. »Das ließ sich so regeln, nicht wahr?«
Rühme antwortete nicht.
»Und diese Stelle hier am Krankenhaus, die doch ziemlich begehrt war, soweit ich gehört habe, die ließ sich wohl auch ... regeln?«
Rühme stand auf.
»Das haben Sie gesagt, nicht ich. Vergessen Sie das nicht.«
»Ich vergesse nichts so schnell«, sagte Van Veeteren.
»Danke, Herr Hauptkommissar. Ich fürchte, meine Zeit reicht nicht mehr für weitere Fragen...«
»Das macht nichts«, sagte Van Veeteren. »Die sind auch nicht mehr nötig.«
»Ich bin gekommen, um mit Ihnen ein wenig über Ihren Sohn zu sprechen«, sagte Bausen. »Maurice...«
»Er ist tot«, sagte Elisabeth Rühme.
Bausen nickte und hakte sie unter.
»Würde es Ihnen gefallen, wenn wir ein wenig im Park spazierengehen?«
»Mir gefällt das Laub«, sagte Frau Rühme. »Vor allem, wenn es nicht mehr an den Bäumen sitzt, aber bis jetzt ist ja noch nicht viel heruntergefallen. Wir haben immer noch September, das stimmt doch?«
»Ja«, sagte Bausen. »Haben Sie Maurice oft gesehen?«
»Maurice? Nein, nicht sehr oft. Doch, manchmal schon, aber sie, diese Beatrice, sie kommt oft mit Blumen und Obst. Was meinen Sie, sie wird mich doch auch weiter besuchen kommen, oder?«
»Aber bestimmt«, versicherte Bausen.
»Manchmal fühle ich mich einsam. Ich bin ja eigentlich gern allein, aber es ist doch schön, wenn ab und zu jemand vorbeikommt... merkwürdigerweise ist es hinterher am schönsten. Wenn jemand zu Besuch war und wieder gegangen ist, meine
ich. Dann fühle ich mich irgendwie richtig gut... erfüllt, es ist schwer zu beschreiben.«
»Wann haben Sie Maurice das letzte Mal gesehen?« fragte Bausen.
Elisabeth
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